70 Jahre Lebenserfahrung und noch mehr

Nächsten Samstag bin ich zu einem 40er eingeladen. Ich freue mich schon, weil ich sicher liebe und gute alte FreundInnen und Bekannte treffen werde. Ich musste immer schmunzeln: „Ihr seid in dem Jahr geboren, in dem ich reif wurde. Schulisch gemeint.“ Ein toller Zeit-Artikel beschreibt die Dekaden durch das Leben. Natürlich war ich neugierig, was die Dekade 50-60 „hergibt“. Ja, ich fühle mich „verstanden“. Da denke ich an die besagte Freundin, die in die Dekade 40-50 eintaucht. Sie darf gespannt sein und sich freuen. Übrigens wie alle Menschen, die einen „positiven Zugang“ zum Leben wählen. Jede Dekade hat alle Lebensfacetten. Die Kunst besteht ja darin, „in der richtigen weil aktuellen Dekade anzukommen und dort zu gestalten“. Ich selber war um den 30er nicht immer „kongruent“. Der Wunsch, jünger sein zu wollen, war die Versuchung.

Christoph Schönborn und Anselm Grün

Igrünn diesen Tagen haben zwei Männer den 70er gefeiert, die die Kirche „prägend mitgestalten“. 70 Jahre Lebenserfahrung ist doch mehr als ein Kübel voll. Beide hinterlassen ihre Spuren auf sehr unterschiedliche Weise. Da geht es nicht um besser oder schlechter, sondern um das Anders. Der eine ist ein Benediktinermönch, schreibt Bücher in Fülle und trifft mit seiner Sprache und seiner Lebenssicht Millionen von Menschen. „Anselm Grün“ füllt Säle und lässt Buchhandlungen jubeln. Er ist einer jener Lebemeister, die christlich geprägtes und inspiriertes Leben zugänglich machen, anschlussfähig halten. Da spielt die Organisation #Kirche nicht immer die erste Rolle. Nein, er lässt sich nicht von ihr behindern, obwohl er ganz in ihr, in der #Ordenskirche lebt. Ganz anders Christoph Schönborn, erster Repräsentant der katholischen Kirche in Österreich, medial und organisatorisch hochstilisiert zum „einzig wahren Gesicht der Organisation“. Die hierarchisch tickenden Medien hierarchisieren hier mit. Dann verknüpft weit „hinauf“ in den Vatikan als Berater für alles erdenklich Mögliche. Das hebt die Autorität, weil der Vatikan für viele Insider ein „hinaufhebender Kontext“ ist. Papstfreund. Intimus. Da bleiben die medialen Münder offen. Damit steigt die Bedeutung, wenn ein Bischof, als Kardinal in die Nähe des Papstes gerückt wird. Dass Bischofsernennungen daneben gehen, nicht stattfinden, steht auf einem anderen Blatt.

Bei und mit den Menschen

schönbAber: Es braucht eine Menge Lebenserfahrung, um den Change zu bewältigen, wenn ganz oben von Benedikt auf Franziskus umgestellt wird. Das lange ORF-Orientierung-Interview mit Christoph Riedl zum 70er zeugt von „Synchronisierungsschwierigkeiten“. Zu schnell. Veränderungen. Tempo. Irgendwie werde ich das Gefühl nicht los, dass das Los der Bischöfe bisher „Fremdbestimmung durch Rom“ lautete. Das Gefühl nährt sich auch aus jahrelanger Erfahrung mit der Amtskirche. Und heute sehe ich noch nicht den Willen, die Sache in der Diözese „mutig und frei anzupacken“.  Zögerlichkeit. Da sehe ich einen Anselm Grün, der den Blick frei und ungeschminkt in seinen Büchern auf „das Leben“ richtet. Nicht Organisation, Gesetz und Macht sondern Leben, Dienst und Verstehen. Das spüren die Menschen und deshalb fühlen sie sich hingezogen. Zu Millionen, was die Auflagen erzählen. Bischöfe müssen ihre Lebenserfahrung dahingehend (noch) ausbauen. Das geht auch – laut Zeit-Artikel – ab 70. Die bedingungslose Hinwendung zu Menschen ist immer möglich. Als Bischof, Autor, Mensch. Mit 40, 57 oder 70.