Den gesellschaftlichen Zusammenhalt stärken

900img_2675„Wo der gesellschaftliche Zusammenhalt gefährdet ist, muss das Empfinden von Gerechtigkeit gestärkt werden“, wird in roten und fetten Buchstaben im Publik Forum vom 21. Oktober 2016 aus dem Artikel „Was die Gesellschaft wirklich zusammenhält“ hervorgehoben. Eine andere Beobachtung habe ich gestern in Wien gemacht. Sowohl beim Burgtheater als auch bei uns vor dem Büro in der Freyung wurden Panzer und militärische Geräte in Stellung gebracht. Als Zivildiener der ersten Stunden rund um die Zivildienstkommission 1975 steigen da natürlich besondere Gefühle und Assoziationen hoch. Besorgte. Der Magnetismus von Panzer und Co. wird jedes Jahr rund um den Nationalfeiertag zelebriert und sichtbar gemacht. Aber was steckt dahinter?

Gerechtigkeitsempfinden fördern

Ich komme zum Interview ins Publik Forum zurück. Die Frage ist entscheidend für unsere „auseinander fallende Gesellschaft“, „die Vereinzelung der Interessen“, „die digital klammernde und zittrige Dauerkommunikation“ und den Hochgesang auf die „Individualität mit erweiterbarer Komfortzone“: Was hält die Gesellschaft wirklich zusammen? Der Philosoph Hans Joas relativiert die Ansicht, dass es die Werte sind, die zusammenhalten: „Es braucht viel mehr.“ Ganz klar benennt er drei Faktoren, die diesen Zusammenhalt in einer Gesellschaft positiv stärken oder in der Negativvariante gefährden. Was hält Gesellschaft wirklich zusammen? „Erstens: ein von allen erlebter wirtschaftlicher Erfolg.“ Und er erinnert an die Nachkriegszeit, wo für alle der Aufstieg und Aufschwung erlebbar war. Ohne den wirtschaftlichen Aufschwung wäre die  neue Demokratie vielleicht gar nicht entstanden. „Zweitens: Die Menschen müssen die Gesellschaft als gerecht erleben.“ Wo der Zusammenhalt gefährdet ist, muss alles getan werden, um das Gerechtigkeitsempfinden wieder herbeizuführen etwa durch Umverteilung oder Partizipationsmöglichkeiten. Jonas findet die Vermögensverteilung in Deutschland „skandalös“. Aus meiner Sicht wird Gerechtigkeit heute nicht nur durch die Ungleichheit gestört, sondern auch durch das Verhalten der Reichen, der „Oberen“, die glauben,  dass Gesetze für sie nicht gelten. Sie setzen sich über alles hinweg, was für alle gilt. Das ist das wirklich „Skandalöse“. Und Jonas weiter: „Drittens ein Beispiel, das keiner hören will, das aber empirisch zwingend ist: Militärische Erfolge eines Landes tragen zum gesellschaftlichen Zusammenhalt bei.“ Und jetzt bin ich wieder beim Burgtheater und in der Freyung in Wien bei den Panzern und Co. In den letzten Wochen und Monaten hat der neue Verteidigungsminister Doskozil eine „aufgeweckte Identität und Aufgabenstellung“ für das Bundesheer herausgestrichen. Irgendwie wird mir etwas bange in unserem Österreich, wenn auf diese Weise der Zusammenhalt über das Militär gestärkt werden soll. Dabei wäre bei „Zweitens: Gerechtigkeit“ ein so weites Feld.