Die Eliten führen Mittelschicht an Nase herum

herrmannUlrike Herrmann betritt den übervollen Saal der AK Wien. Sie ist Gast bei den Wiener Stadtgesprächen. Es geht um den Anfang und das Ende des Kapitalismus. Die Berliner Journalistin der TAZ hat die Gabe, die heutige gesellschaftspolitische Situation auf den Punkt zu bringen. Sie nimmt eine Perspektive ein, die die Eliten von unten anschaut. Sie arbeitet klar heraus, warum gerade in den letzten 25 Jahren die gesellschaftlichen Eliten unter Mithilfe der Medien ihren Reichtum auf Kosten der BürgerInnen, des Staates anhäufen konnten. Den Eliten mit ihren Think Tanks ist es gelungen, das Rettungsgeld für ihre Banken von den Staaten herauszupressen und die Banken- bzw. Geldkrise als Staatskrise darzustellen. Das griechische Bankendesaster wurde zum Staatsdesaster umfunktioniert und  umerklärt. Die reichen Eliten nehmen sich, wo es nur geht. Sie gewinnen dort, wo es anderen schlechter geht. Beispiel: Die EZB fordert vom griechischen Staat das Herunterfahren der Renten. Griechenland will die Militärausgaben kürzen. Dürfen sie nicht: Am Waffenhandel verdienen die Eliten mit.

Die Mittelschicht schaut in die falsche Richtung

IMG_8887Wer das Buch von Ulrike Herrmann „Hurra, wir dürfen zahlen“ gelesen hat, staunt nur so, mit welchen Geschichten und Erklärungen die sogenannte Mittelschicht von den Eliten und Reichen an der Nase herumgeführt wird. „Der Selbstbetrug der Mittelschicht“ ist der Untertitel. Die laufende Umverteilung von unten nach oben wird von der Mittelschicht nicht durchschaut. Ihr wird „erzählt“, dass sie bald zur Elite gehören, reich sein wird. Deshalb wehrt sich diese Mittelschicht gegen alle Besteuerung der Besserverdiener, „weil sie ja selber bald dazugehören könnte“. Durch diese Koaltion mit den reichen Eliten kommt die Mittelschicht selber unter die Räder. Die erzählten Geschichten halten sie ab von der einzigen Koalition, die die Gesellschaft wieder ausgleichen, ins Lot bringen könnte, nämlich der Koalition mit der Unterschicht. Unterschicht und Mittelschicht sollten sich gut verbündet ihr Geld von der Elite zurückholen durch hohe Besteuerung von Vermögen, Erbgut und Finanzerträgen. Die Mittelschicht lehnt Vermögenssteuern ab, die sie gar nicht treffen würde. Paradox. Statt dessen glaubt die Mittelschicht die Stories von Sozialschmarotzern, von der Bedrohung durch Asylwerbern, von der schlechten Bildung in öffentlichen Schulen. Als Beispiel führt Herrmann den Boom an Privatschulen an, die derzeit sprießen mit dem einen Ziel, die eigenen Kinder vor der Berührung mit der Unterschicht zu schützen. Persönlich glaube ich, dass aber genau dort die neuen Lernfelder aufgehen, neues Lernen möglich ist. Die „Koalitionen am Rand“ werden Zukunft schaffen. Dort müssen auch Ordensschulen angesiedelt sein. Plädoyer der Autorin: Holen wir uns die Ressourcen von den Eliten zurück. Das Buch ist lesenswert, bedenkenswert und ein guter Handlungsimpuls.

2 Kommentare

    • Martin Märzinger auf 15. Juni 2015 bei 09:41

    Ja so ist es. Habe vor kurzem sogar geschrieben dass ich hier das Prinzip der Schulreform -Zentralmatura etc.- sehe. Da ich noch keinen Professor getroffen habe der sie gut findet kann es nur sein dass sie die Masse etwas dümmer halten wollen, der Rest kann sich ja -wie oben geschrieben- eine Privatschule leisten. So krank. So traurig. Und die Kirche -glaube ich- spielt leider auch mit im Spiel. lgm

    • kaineder auf 15. Juni 2015 bei 12:48
      Autor

    Die Andeutung stimmt. Stellenweise durchschauen auch kirchliche Verantwortliche dieses „Spiel“ nicht und „sakralisieren“ es. Dabei liegt alles auf der Hand: Option für die Armen, Parteinahme für die Unterschicht, schafft solidarische Gemeinschaften („Sie hatten alles gemeinsam.“),…

Kommentare sind deaktiviert.