Die Pyramide im Wasser

Es war Balsam auf meine Seele, was der frühere Abt Martin Werlen vom Kloster Einsiedeln am Ordenstag in das Plenum gesagt, gezeigt und gestellt hat. Es ging um Traditionen, um Lebendigkeit und um den ungeschminkten Blick auf das Heute. Er redete den mehr als 500 Ordensleuten und leitenden verantwortlichen Frauen und Männern bei und im Umfeld der Gemeinschaften „ins Gewissen“, dass nicht die starre Tradition, sondern die vom Herzen kommende Lebendigkeit zukunftsfähig ist. Er sieht in Jesus diese Quelle der Lebendigkeit, die Aufforderung, für das Heute und den Zeitgeist anschlussfähig zu sein. Angesprochen hat er uns mit „Liebe Getaufte“. Das tut gut. Gerade die Fremden bringen einen tiefen Blick auf unsere Quelle, die uns verbindet. Es ist das Wasser der Liebe Gottes, auf das wir alle in der Unterschiedlichkeit der Relgionen, Testimonien oder kulturellen Unterschiede stoßen. Wirklich schöne und ermutigende Bilder und Sichtweisen. Das Buch ist empfehlenswert. Dahinter steht ein sehr liebenswürdiger Mensch, Christ und Mönch. In dieser Reihenfolge. Darauf würde er bestehen.

Und wie wirkt die Kirche ?


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Seinen Blick hat Werlen auch auf die „Kirche“ gerichtet. Sie ist hierarchieverliebt. Oft auf900_IMG_5490 Äußerlichkeiten fokussiert. Die konstantinische Wende hat ihr zu viel weltliche Macht gebracht. Das hat herrschaftliche Ausprägungen entwickelt. „Kirchenfürsten“ erinnern noch heute. Die Pyramide wurde die Körpergestalt. Oben Papst, Bischöfe, die „Geistlichen“ und unten „das Volk“. Werlen stellt eine Holzpyramide auf den Altar. Die Spitze oben, die Leute unten. So wurde es auch in den letzten Pontifikaten ausgefaltet. Das war nicht jesuansich, im Sinne Jesu, der genau diese Pyramide zu seiner Zeit auf den Kopf gestellt hat. Werlen nimmt eine Glasschüssel und gibt die Pyramide hinein. Jetzt schwimmt sie im fluiden Element Wasser. Und: Die Spitze unten, die breite Fläche, die Leute, die Kleinen oben auf. Deshalb hat die Bischofskirche Angst vor dem Fließenden. Genau im fluiden Element wird die jesuanische Vision der Seligpreisungen, des Magnifikat Realität: Das Unten ist oben. Der Erste sei der Diener aller. Papst Franziskus ist selbst das fluide Element in dieser starren Hierarchie. Er geht, verändert die Perspektive, sieht Dinge mit den Augen von unten und er macht den Mund auf. In der Pause habe ich zu einer Schwester, die mir ihr Leid geklagt hat,  gemeint: Werfen sie ihre Pyramide ins Wasser und vieles wird sich neu ausrichten. So wie es Jesus gemeint hat, gemacht, vorgelebt hat. Ist die Holzpyramide im Wasser, kann sich die Spitze nicht oben halten. Übrigens: Auch eine gute Übung für Konzerne und weltliche Hierarchie-Systeme.