Wir müssen aufhören mit dem verdammten Legalismus

IMG_4295Der Saal ist prall gefüllt. Im Vorraum ist der Tisch mit dem Buch von Bischof Dom Erwin Kräutler aufgestellt. „Mein Leben für Amazonien„. 34 Jahre Bischof mit und bei den indigenen Menschen am Amazonas. Dom Erwin wird nach dem Vortrag und der Diskussion von den Leuten umringt. In der Diskussion fällt es ihm schwer, zwischen Du und Sie zu unterscheiden. Und das in Wien, wo Titel und Funktionen lebensnotwendig sind, damit der Turm der Bedeutung ja nicht zu klein ausfällt. Dem Menschen, Christen und Bischof ist das nicht wichtig. Beziehung auf Augenhöhe und „Hinhören“  oder #ganzOhr sind für ihn charakteristisch. Ein heilender Mensch. Er macht den Raum auf. Atmen, freies Atmen liegt in der Luft.

Legalismus oder Barmherzigkeit

Gefragt wurde er vieles. Mich hat beeindruckt, wie er seine Begegnung (andere nennen es Privataudienz) mit Papst Franziskus schildert. Bischof Kräutler erzählt, dass der Papst die Bischöfe ermutigt, ihre Situation direkt anzusprechen, konkrete Vorschläge zu machen für die Lösung von Problemstellungen. „Habt Mut und redet.“ Das Ergebnis der Synode hält Kräutler dahingehend für irreversibel, „weil Transparenz eingezogen ist“. Abstimmungsverhältnisse wurden veröffentlicht. Diskussionen sind nachvollziehbar. Der verdeckte und zudeckende Legalismus hat sein Ende gefunden. „Wir müssen aufhören mit dem verdammten Legalismus.“Es geht um Aufrichten und Barmherzigkeit. „Das ist das Herzensanliegen diese Papstes. Die offene Diskussion über die Zukunft.“ Und: „Die Bischöfe sollen mutig und verwegen sein. Das gilt auch für die österreichischen Bischöfe.“ Ganz ehrlich: Sie sind noch mit der Zumutung beschäftigt. Und ich denke parallel mit: für die Ordensoberinnen und Ordensoberen genauso, die in der Spur der Erneuerung, der Gründungen, der Antwort auf die Not der Zeit stehen. Kräutler hat vom Papst gehört: „Sag den Bischöfen, sie sollen konrete Vorschläge machen.“ Der Papst ist mutig – mutiger als die Bischöfe. Wie sollen sie auch Mut fassen, wenn Mut in den letzten Jahrzehnten zu „Troubles“ (Zitat Bischof Aichern) geführt hat. Da braucht es noch einige Eucharistien, um Wandlung zu ermöglichen und zu bewirken.

Die These der beauftragten Priester/in

IMG_4287Apropos Eucharistie. Bemerkenswert finde ich, dass Papst Franziskus ganz klar den Eucharistie-Mangel in allen Kontinenten erkannt hat. Bischof Kräutler hat eine Diözese, die 4 Mal so groß ist wie Österreich und mit ihm wirken 16 Priester. 16. Da redet bei seiner Begegnung in Rom der Papst selber von einer „Idee“. Bischof Fritz Lobinger hat ihm, dem Papst den Floh ins Ohr gesetzt. Eine priesterlose Gemeinde ist ein eucharistielose Gemeinde. Bei Kräutler sind das 90% der Gemeinden. Jetzt die These, die der Papst selber ins Gespräch mit seinem Mitbruder Kräutler eingebracht hat. „Jede Gemeinde beauftragt drei älteste Frauen und Männer (das ist nicht das Alter gemeint), die am Sonntag der Eucharistie in dieser Gemeinde, wo sie eben dazugehören, vorstehen. Am Montag geht jede und jeder seinem Beruf nach.“ Beauftragte Leute-Priester und Priesterinnen. Nicht geweiht – beauftragt. Der Weg von Bischof Aichern in Linz. „Beauftragte SeelsorgerInnen“. Und ich denke an die vielen Beauftragungsfeiern. Der Weg der Weihe und der Weg der Beauftragung. Auf Augenhöhe. Ich werde etwas sentimental, weil das über Jahre meine die innere Triebfeder war, aber von „erzkonservativen Kreisen „zerstört“ wurde. Jetzt spricht der Papst von sich aus diese Vorgehensweise an. Das Vorzeichen in Rom hat sich 180° gedreht. Jetzt steht für mich das + vor der Gleichung. Kräutler endet bei diesem kirchlichen Kapitel mit dem Satz: „Um der Eucharistie willen wird es diesen „Priestertyp“ sehr bald geben.“ Hoffen wir es. Für Frauen und Männer. Um Gottes und der Gemeinden willen.

Das Wenige tun, dort wo ich bin

Gesellschaftlich taucht in der Diskussion immer wieder die Frage auf: Was kann ich heute hier und jetzt tun? Kräutler: „Das Wenige tun, dort wo ich bin.“ Was sagen sie zum Wirtschaftswachstum? In meinem Kopf taucht sofort die Gesprächsreihe „viel mehr wesentlich weniger“ auf. „Wachstum muss verantwortbar sein, gerade auch ökologisch. Wir sind für die nächsten Generationen verantwortlich. Wirtschaftswachstum geht aber heute über Leichen. Es geht nur mehr um statistische Größen. Aber: Jeder Mensch hat ein Gesicht.“ Kräutler ist für Wachstum im Bereich der Ernährung, der Gesundheit, des Wohnens oder der Bildung. Es muss das Buchhalterdenken von Einsatz und Erfolg aufhören. „Eine andere Welt ist möglich“ sollte viele erfassen. Es kommt auf jeden und jede an. Ermutigend in diese Richtung erwähnt er seinen jahrzehntelangen Einsatz in Amazonien: „Es gibt immer eine Spalte, wo der Fuß reingeht. Man soll nie die Hoffnung verlieren.“ Angesprochen auf das Klima lässt er keinen Zweifel: „Das Klima geht so nicht mehr lange. Es wurde alles abgeholzt. Die Folgen wie Stürme und Trockenheit spüren wir jetzt.“ Mir fallen die Lobbying-Unternehmen ein, die alle Klimaziele für unmöglich halten und der Voest-Generaldirektor Eder, der in den USA die Zukunft aufbaut: ohne Umweltauflagen. Es ist zum Schreien.

1 Kommentar

    • F.H. auf 28. Oktober 2014 bei 23:29

    Ja, es ist wirklich zum Schreien!

    Danke für diesen wunderbaren Beitrag und die vielen – Hoffnung gebenden – Informationen!

    Pace e bene!

    f.h.

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