Wie Unternberger ober Wasser gehen

900_Unternberg 043900_Unternberg 00417 Stunden nach Ankunft inklusive gutem Schlaf beim Kirchenwirt in Unternberg im Lungau schau ich in den Rückspiegel. Nicht alles wird sichtbar, aber ein paar Perspektiven ergeben ein schönes Bild für einen „eingeladenen Fremden, den Weitgeher“. Anlass meines Besuches war die Bildungswoche des Salzburger Bildungswerkes in dem 1.000 Einwohner-Gemeinwesen Unternberg auf mehr als 1.000 Höhenmetern. „Die Seele geht“ war mein Vortrag unter dem spannenden Generalthema der ganzen Woche „weit denken – weit gehen. weiter denken – weiter gehen“.  Diana Sampl hat zusammen mit dem Bürgermeister Josef Wind eingeladen, „um Bewegung in den Ort, zu den Menschen zu bringen“. Die große Aula der neuen Volksschule, die im Rahmen der Bildungswoche eröffnet wird, war voll. Interessierte Gesichter blickten mich beim Vortrag an. Keine Schläfrigkeit. Hellwache Frauen und Männer. Tiefgehende Fragen nach meinem Input und den Erzählungen meiner Weitgeh-Erfahrungen. Es ist für mich selber jedes Mal ein Geschenk, anhand meiner Erfahrungen mit Menschen in Austausch zu kommen. Solche Abende waren mir noch nie anstrengend und noch kein Weg zu weit.

Kleine Erkundungstour
900_Unternberg 024Die frische Luft, das regelmäßige Plätschern des Regenwassers hat mich gut und tief schlafen lassen. Auch hier bin ich gesegnet: Ich kann mich überall hinlegen und der Schlaf findet mich recht unverzüglich. Die Kirchenglocken wecken mich um 6 Uhr. Das ist gut so. Bis zur Abfahrt mit dem Bus möchte ich noch kurz den Ort „erkunden“. Schon gestern hatte ich den Eindruck: Hier ist es gut. Aufstehen, zurechtmachen, Augen und Ohren auf und der kleine Rundgang kann beginnen. Eine originelle Kirche um 1978 als „Versammlungskirche um den Altar“ umgebaut. Öffentliche Gebäude schön, frisch und zum Teil neu. Unglaublich viel Holz wird verarbeitet. Fast 400 Arbeitsplätze in der Gemeinde. Das lässt mich staunen. „Der Tourismus ist zurückgegangen, aber die Betriebe sind gewachsen.“ Da ist sicher auch ein Stück „Wind“ drinnen. Der Bürgermeister. Und helle engagierte Köpfe, die selber anpacken und „gehen“ und nicht warten, „bis jemand etwas tut“.

Handverlesenes Handwerk

900_Unternberg 023900_Unternberg 014Die Leiterin des örtlichen Bildungswerkes Diana, die aus der Tür des „Bindermeisters Engelbert Sampl“ (so steht es über der Eingangstür) herauskommt, ruft mir ein „Guten Morgen“ zu. Sie muss zur Schule und doch führt sie mich zuerst zu ihrem Mann die die Werkstätte. Es riecht nach frischem Holz. Ich habe über Jahre selber ein wenig getischlert. Hier entstehen individuelle Gartenschaukeln, Blumenbottiche, Spielgeräte, Holz-„Hotpotts“ inklusive Holzöferl zum Eintauchen in warmes Wasser an kalten Tagen und zur Entspannung. Eine echte Werkstatt, wo mit Hand gearbeitet wird. Die Kunden von Engelbert kommen von Baden über Salzburg und Wels. Das Holz hat keinen längeren Transportweg als fünf Kilometer in die Werkstätte. Rundherum Wald – und auch Zirben. Ein vielgefragtes Holz. „In den 80-er-Jahren war keine Arbeit. Heute komme ich fast nicht nach.“ Ich ermutige Engelbert damit, dass ich meine Einschätzung mitteile, dass immer mehr Menschen „ursprüngliche Handarbeit schätzen werden“. Ein paar Fotos und ein Selfie müssen sein. Ich gehe weiter. „Glaswerksstätte Wieland“ ist mir gestern schon aufgefallen. Ein altes Gebäude fein kombiniert mit einem neuen Anbau. Es stellt sich heraus, dass der alte Gebäudeteil zu den ältesten Häusern des Dorfes gehört. Die Werkstätte des Kramsacher HTL-Absolventen und Sohnes Wieland zeigt sich hier. Ich darf durchgehen. „Das alte Lebensmittelgeschäft mussten wir aufgeben, weil in der Nähe die Supermärkte Käufer abgezogen haben“. Das weiß die Mutter. Sie steht in der integrierten Trafik und war gestern auch im Vortrag. Si erzählt mir, „was sie sich mitgenommen hat“. Ich sehe in diesem Haus Veränderungsbereitschaft und ein Engagement für die Glaskunst. 900_Unternberg 031900_Unternberg 034Der Vater nimmt ein Glas, schreibt „ferdinand“ drauf. Darunter schreibt er „Bildungswoche 2016 Unterberg“. Ich werde noch lange an sie alle denken. An die, die sich nicht unterkriegen lassen in der „globalisierten Welt“, weil ihr Handwerk Bodenständigkeit für diese Welt ist. Über Unternberg hinaus. Der Bus kommt. Es tut mir leid, dass ich fahre, weil es gerade hochinteressant wurde. Vielleicht kommt man ohnehin ein zweites Mal.

1 Kommentar

  1. Lieber Ferdinand Kaineder, den Wandel kann ich bestätigen. Wir kommen seit 1990 mehrmals im Jahr mit dem Skikurs der Universität Halle (Saale) nach Unternberg und finden dort freundlich Quartier. Inzwischen haben sich zwischen meiner Familie und den Unternbergern (im weitesten Sinne) herzliche Beziehungen und freundschaftliche Verbindungen entwickelt, die über die normale Quartierbereitstellungsoptionen weit hinausgehen.
    Der Ort ist in der Moderne angekommen, die Entwicklung der Industrie und des Handwerks bietet auch der Jugend eine Perspektive im Lungau zu bleiben, kluge Frauen und Männer bestimmen mehr und mehr die Entwicklung des Ortes….
    Die neuen Gemeindebauten im Ort und die Solaranlagen am Ortsausgang vermitteln dem Besucher schon frühzeitig den Eindruck, dass ökologisches Denken und Wirtschaftlichkeit hier eine gemeinsame Zukunft haben.
    Ich bin gespannt und erwarte eine weitere positive Entwicklung 😉
    Liebe Grüße nach Unternberg
    Detlef Braunroth

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