Woher der Mut zur Gestaltung kommen kann

700_IMG_0615Der in Lustenau geborene Fredmund Malik hat auf die Frage – Glauben Sie, sind Führungskräfte mutig genug für neue Ansätze? – im Kurier folgende Antwort gegeben: „Viele sind es nicht, aber es dürfen viele ja auch Ängste haben. Von den Mutigen genügt eine kritische Zahl. Wir brauchen 5 bis 15 Prozent der Führungskräfte in einer Pionierrolle. Und ich denke, so viele gibt es auch. Die Problematik ist: Pioniere wissen, was zu tun ist. Aber sie wissen nicht, wie sie gegen die Widerstände des Systems antreten müssen. Konzerne haben ein unglaubliches Beharrungsvermögen. Man muss Tausende Menschen in Konzernen bewegen, um etwas zu verändern. Und es gibt dabei natürlich Opfer.“ Hier spricht einer, der weltweit Management geprägt hat und prägt. In jedem Fall braucht es Pioniere, um den Wandel, die Transformation, die Veränderung zu schaffen. Nicht, um der Veränderung willen, sondern weil wir spüren und sehen, dass einiges aus den Fugen gerät. Ein praktisches Beispiel hat mir letzte Woche Erich Stekovics gezeigt.

300.000 Sorten zu 5

1000_IMG_0547Erich, den ich schon seit meiner Zeit als Ausbildungsleiter für Theologiestudierende als meinen burgenländischen Kollegen kennen und schätzen gelernt habe, hat sich international mit seinen „Sorten“ einen Namen gemacht. „Paradeiser-Kaiser“ ist immer wieder zu lesen, zu hören, zu sehen. Seine Leidenschaft gilt dem Geschmack, der Vielfalt des Geschmacks. Den Himmel stellt er sich als „vielfältige Geschmackswelt“ vor. Ist das der Grund, warum viele Menschen  nicht mehr an den Himmel glauben können, weil internationale Konzerne aus den 300.000 Sorten von Paradeiser weltweit 5 hybride Sorten gemacht und die Produktion von Tomaten für Lebensmittelketten auf diese „fünf Geschmäcker“ reduziert haben? Spaß beiseite, aber: Es ist eine bodenlose Geschmacklosigkeit, die da entwickelt wurde. Pioniere der Geschmacklosigkeit haben in Konzernen in den letzten Jahrzehnten Strukturen und technokratische Plausibilitäten geschaffen, denen alle nachgelaufen sind, sich an diesem Verbrechen beteiligt haben, „der Welt den Geschmack zu nehmen“. Aber wie geht jetzt der Wandel, die Transformation in die Vielfalt, in eine neue Form der Wahrnehmung der Verantwortung. Was Malik unternimmt, kenne ich nicht persönlich, sondern vom „Hörensagen“. Was die KSÖ seit Jahrzehnten in diesem Bereich anbietet, habe ich selber beim Drei-Monats-Kurs 1978 in Salzburg kennen lernen dürfen. Es waren sicherlich die intensivsten und fruchtbarsten drei „Lernmonate“ meines Lebens. Wandel, Change, Transformation sind immer Begriffe der Gegenwart. Nach dem Kurs bin ich 1978 Erzieher am Kollegium Petrinum geworden, während des Theologiestudiums. Ich habe mich gestärkt gefühlt, mit den Schülern und oft gegen die Vorgesetzten „Partizipation, Involvierung und Eigenverantwortung“ zu praktizieren. Bis heute begleitet mich dieser „Pionier-Mut“ und die Art der Ideen- und Handlungsfindung aus dieser Zeit. Wenn die KSÖ heute den Lehrgang „Soziale Verantwortung“ anbietet, würde ich zugreifen. Denn eines weiß ich ganz bestimmt: Da wird Mut zu Gestaltung gelehrt, gepflegt, geschürt. Was brauchen wir heute notwendiger als Pioniere des Wandels?

Rückholaktionen in die Erde der Vielfalt

1000_IMG_0554Erich Stekovics erzählt bei meinem Besuch von seinen Erfahrungen mit seinem Knoblauch. Seine 250 Tonnen Knoblauch werden nach der Ernte nicht gewaschen oder von der Erde gereinigt, sondern nur getrocknet. „Wir putzen unseren Knoblauch nicht zu Tode.“ Die Knoblauch-Zöpfe werden gerade unter dem Nussbaum im Hof von HelferInnen geflochten. Sie halten „luftig aufgehängt“ beim Konsumenten über ein Jahr in der Küche oder Garage. Der natürliche Schutz wird nicht zerstört. Bei der Markt-Einführung bei Spar kam gleich am ersten Tag ein Beschwerdebrief der Behörde, „dass der Knoblauch mit dem Dreck dran nicht verkauft werden darf“. Erich: „Da ist kein Dreck dran, sondern Erde. Im Dreck von heute würde der Knoblauch nämlich nicht wachsen.“ Nach vielem Hin und Her, dem hilfreichen Posting von Lukas Resetarits auf Facebook, das 250.00 Mal geliked und 12.000 mal geteilt wurde, wird heute der Knoblauch im blickdichten Papiersackerl angeboten. „40 % der Knoblauchproduktion haben wir so von China wieder zurück nach Österreich geholt.“ Und Stekovics bastelt mit Zwiebeln schon an weiteren „Rückholaktionen in die erdige Welt der Vielfalt“ in Österreich. Mut und Liebe, Wissen und lange Beobachtung machen Mut, diese eigenen Schritte zu setzen. Es ist klar: Wir brauchen mutige Pioniere der Vielfalt.