Den Benediktweg drei Tage lang beschnuppert

11IMG_0953Eigentlich wollte ich im Hochgebirge unterwegs sein. Es kommt dann doch manchmal anders als man sich das ausdenkt. Die Grunderfahrung des Weitgehens taucht auf: Das Leben kommt dir entgegen. Was tun nach der Unterbrechung? „Benediktweg“ klang schon oft an meinen Ohren. Drei Tage hatte ich Zeit. Es war so, als wollte sich der Benediktweg unter mein Fußsohlen schieben. Gut so. Aufbruch um sechs Uhr im Bergdorf mit Bus, umsteigen auf den Zug nach Spital am Pyhrn und ankommen um 8.20 Uhr. Dort beginnt der Weg, von dort weg ist er in der Karte eingezeichnet. Um neun Uhr starte ich von der ehemaligen Stiftskirche weg. Erst am Weg wird sich die erste grüne Markierung  mit dem rot-weißen Flächen zeigen. Das Wetter scheint gut. Und wird es auch.

Vogelgesang in Form von Wasserfällen

12IMG_0975Der erste Tag führt mich durch die Vogelgesang-Klamm hinauf Richtung Bosruckhütte und Rohrauerhaus zum Pyhrgasgatterl hinüber in die Steiermark. Meine tägliche Buttermilch nehme ich aber in der Ochsenwaldalm zu mir. Zwei Leute bewirtschaften die Alm mit den Tieren und sind gastfreundlich zu den BesucherInnen. „Na, heuer sind weniger unterwegs als sonst. Es ist halt mal ein Jahr so und mal so.“ Gelassene Worte eines Senners und einer Sennerin, denen ich doch mehr BesucherInnen wünschte. Aber es stimmt: Ich habe auch den Eindruck, dass wenig Bergwanderer unterwegs sind. Die heurigen Wettervorhersagen sind Wasser auf die „Bequemlichkeitsmühlen“. Dabei sind Bewegung und Natur die Chance, dem Leben auf die Spur zu kommen. Über das Pyhrgasgatterl bin ich schon mehrmals mit Schiern im Winter gegangen. Heute geht es hinunter über die Alm und hinaus im Tal nach Hall hinüber nach Admont. Dort peile ich das Stift an, ohne mich irgendwie angemeldet oder angekündigt zu haben. 13IMG_1002„Gibt es im Stift für Benediktpilger eine einfache Unterkunft?“, war meine Frage an der Pforte beim Museum. „Warten Sie, ich rufe P. Ulrich, den Gastpater.“ Er gibt mir ein Zimmer im Haus Karfarnaum, lädt mich ein zu den Gebets- und zu den  Mahlzeiten und lässt mir Freiraum. Ich erkunde das Stift, die wunderschönen Höfe, die Blumen, die Kirche und die Benedictus-Kapelle. Die Abendsonne verbringe ich am Teich mit Blick auf die Kirchtürme, die Bergkette und dem Treiben auf dem Wasser. „Stundenlang könnte ich da sitzen“, sagte ich mir ohne anzuhängen, „wenn ich es nur könnte“. Die Sonne im Gesicht, die Natur vor Augen und die sieben Stunden Gehen in den Füssen lassen mich einfach „ausatmen“. Das tiefe Danke macht sich breit.

Dem fließenden Wasser entgegen

16IMG_102115IMG_1042Am Weg zur Konventmesse um 7 Uhr regnet es noch. Der Himmel ist verhangen. Alles in satte Feuchtigkeit getaucht durch den nächtlichen Starkregen. Beim Frühstück ergeben sich intensive Gespräche mit Bekannten, die auch „zufällig da sind“. Der Regen hat aufgehört und ich vertraue darauf, dass ich heute trocken bleibe. Und so war es auch. Der Weg vom Stift hinaus Richtung Kaiserau hinauf geht zuerst auf der Straße und dann biege ich ein zum langen Aufstieg entlang des steil in Stufen herunterfließenden Lichtmessbaches. So gehe ich an die 600 Höhenmeter dem Wasser entgegen. Über längere Zeit habe ich beim Aufsteigen und Schwitzen das Gefühl, ich werde abgewaschen, vieles wird weggewaschen und vom hinunterfließenden Wasser mitgenommen. Befreiend. Oben angekommen geht es – wie das Leben mal so ist – auf der anderen Seite wieder hinunter nach Trieben, um von dort wieder aufzusteigen bis ganz hinten in das Triebental. In Trieben mache ich Mittagspause, Suppe und Buttermilch, besuche die Kirche und betrachte die Außenfassade des Rathauses. Bergbau und Magnesit haben diese Stadt geprägt. Der Triebenbach kommt mir beim Auftieg wieder entgegen, auf der anderen Seite des Baches die Straße nach Hohentauern.14IMG_1023 Sie ist heute durch Serpentinen entschärft. Wir haben in Jugendjahren das Fahrrad noch auf der steilen Straße hinaufgeschoben, um nach Venedig zu kommen. Erinnerungen werden wach. In der Beschreibung des Benediktweges wird geraten, die heutige Etappe im Gasthaus Braun zu beenden. Ich frage dort. „Leider, kein Zimmer frei. Soll ich sie zur „Bergerhube“ fahren?“. Fahren? Ich gehe. Pilgern mit den Füssen. So gehe ich – wegen des schönen Wetter trödle ich – ganz ans Ende des Triebentales die fünf Kilometer weiter und bleibe in der Bergerhube, einem Bauern- und Gasthaus. Noch weiter draußen ein Telefonat, weil ich vermutet habe: Dort ist Offline-Area. Kein Empfang. Nichts. Und wir kommen untereinander ins Gespräch. Erzählen, scherzen, tauschen uns aus. Und früher das Bett aufsuchen schadet auch nicht. Ich empfehle diese Etappe bis dorthin zu gehen. Es sind so etwa 7-8 Stunden Gehzeit. Das bringt für die morgige Etappe in die Abtei Seckau, die mit 35 km angegeben ist, einen direkten Startvorteil. Was du gestern kannst besorgen, brauchst du heute nicht zu gehen.

Feuchte Gegend

17IMG_1114Der dritte Tag soll lang werden – und doch wieder nicht. Nach dem Frühstück steige ich auf zum Kettentörl (1.865m). Zuerst auf einem Weg noch weiter zurück ins Tal, dann steil bergauf und weiter zum Törl. Nach 1 1/2 Stunden habe ich die etwas 700 Höhenmeter geschafft. Wunderschöner Ausblick. Zurück, woher ich komme, und voraus, wohin ich gehe. Ein leichter  warmer Morgenwind und gute Sicht lassen mich verweilen, laut jubeln und ruhig werden. Ich könnte die Welt umarmen und muss doch dabei an die denken, die diese Welt ausbeuten und zerquetschen, herausholen, was geht und den Menschen dabei als Ware, als Sklaven benutzen. Die Gedanken gehen in so einem Moment weit herum. Das befreit. Der Abstieg ist über weite Strecken nass. Es ist ein sumpfiges und feuchtes Gelände. Spätestens am Ingering-See (1.221m) ist mir klar, dass hier viel Wasser am Werk ist. Die Schuhe sind auch innen feucht geworden, wweil viele Schritte in den feuchten, nassen Moorboden gesetzt werden müssen. 18IMG_1153Aber es gibt Schlimmeres. Am Weg hinunter begegnen mir viele Schwammerlsucher. Am Gingering-See hat das Stift Heiligenkreuz, denen das Tal seit über 100 Jahren mit dem Schloss Wasserberg gehört, eine neu Klementi-Kapelle erreichtet. Ich sitze drinnen mit dem Blick auf den See. Ich merke gar nicht, dass es regnet. Zwei Ordensfrauen aus Bayern suchen Unterschlupf und sie meinen: „Der Regen dauert nicht lange.“  So war es auch. Ich genieße noch diese Perle in der Natur, den See und die Gegend. Dann stelle ich mich mental auf drei Stunden Forstweg ein, die mich aus dem Tal hinausführen nach Gaal und dann eine weitere Stunde hinüber nach Seckau. Schon fast am Ende des Tales angelangt, fängt es an zu regnen. Ich setze den Rucksack ab. Ein Auto kommt mir entgegen, dreht hinter mir um, bleibt neben mir stehen, Fenster herunter: „Wollen’s mitfahren?“ Ich: „Wohin fahren sie?“ „Nach Knittelfeld.“ „Zum Bahnhof?“ „Ja.“ Spontaner Entschluss. Mitfahren. Es ist nämlich nicht leicht, morgen mit Öffis von Seckau ins Bergdorf zu kommen. Heute ganz anders. Ich werde am Bahnhof abgeliefert. Der Zug hat Verspätung und nimmt mich deshalb noch mit. Der Anschlusszug nach Selztal wartet. Schienenersatz. Zug nach Linz und Bus ins Bergdorf. Es war eine Fügung, dass ich so in 3 1/2 Stunden von dort nach da gekommen bin. Am nächsten Tag hätte es über 5 Stunden gedauert. Die Abtei Seckau wird als Ausgangspunkt für das Weiterschnuppern Richtung Süden ins Stift St. Paul im Lavanttal und hinunter durch Slowenien dienen.