Politisches Kabarett hat einen aufklärerischen Auftrag – oder?

Ich persönlich schaue und besuche gerne Kabarett. Mit Humor ist manches leichter zu ertragen und der Lerneffekt, der „Durchblick“ leichter zu fassen. Natürlich schaue ich auch gerne zum Nachbarn, zum ARD und ZDF. Wenn dort „die Politik“ durch den Kakao gezogen wird, dann ist das nicht so nahe. Immer wieder habe ich mich gefragt, warum immer die PolitikerInnen, die Politik  „herhalten muss“. Jetzt lese ich auf FOCUS.DE einen Artikel, der mich noch nachdenklicher stimmt: Oberlehrer im Blindflug.

Also denkt man nicht

Politisches Kabarett in Deutschland geht heute vor allem auf zwei Füßen: Politikerhass und Obszönität. In diesem Artikel lese ich: „Im Club der Rechthaber und Bescheidwisser, der Nörgler und Oberlehrer, die sich wohlig wälzen im Sud der frommen Denkungsart, muss die große Krise herrschen: Wie fasst man klare Gedanken in einer Zeit, da rechts und links nur im Straßenverkehr zu trennen sind? Also denkt man nicht, sondern verachtet. Also erklärt man nicht, sondern schlägt um sich.“ Der Preis für diese Lacher ist die Verachtung derer, die in einer Verantwortung stehen, die sie nicht immer wahrnehmen. Können oder wollen. Dass ein kritischer Blick auf die politische Situation und die handelnden Personen geworfen wird, ist absolut wichtig und notwendig. Oft habe ich allerdings den Eindruck, dass die wahren Drahtzieher unserer misslichen politischen Situation (Konzerne, Banken, Regime, Abhängigkeiten, selbstreferentielle Systeme) genau von den kritischen Geistern nicht erkannt oder bekannt gemacht werden. Diese „Hintermänner“ (es sind vorwiegend Männer) haben selbst das Interesse, dass sie nicht erkannt werden. Da lässt man lieber die ohnmächtigen oder in Abhängigkeit befindlichen Politiker auf der Bühne erscheinen.

Die Verantwortung der Kabarettisten

Dass PolitikerInnen Verantwortung tragen, Rückgrat haben müssen, ist für mich klar. Indem sie beschimpft und in Bausch und Bogen auf der Bühne der Lächerlichkeit zum Gaudium des Volkes vorgeführt werden, kann nicht der Weg in die Zukunft sein. Hier wird das Kind mit dem Bade ausgeschüttet. Es lohnt sich, den ganzen Artikel zu lesen und sich selbst ein Urteil zu bilden. Mir jedenfalls bleibt immer öfter das Lachen im Halse stecken. Kabarettisten sind die Prediger der Jetzt-Zeit. Sie tragen hier eine große Verantwortung. Sie haben eine große Gelegenheit, noch tiefer zu schauen und tiefer blicken zu lassen – auch wenn uns dann noch mehr Lacher im Halse stecken bleiben.