Meine 24 Stunden gehen für Nepal

Es ist noch finster. Für 7 Uhr ist der Abgang in Bad Goisern im Hand.Werk.Haus eingetaktet. Geschlafen habe ich wunderbar. Motivation ist da. Das ab 6 Uhr vorbereitete Frühstück ist nicht in Scheinwerferlicht gestellt und daher nur mit offenen Augen in seiner vollen Pracht zu sehen. 160 Frauen und Männer, jung und älter, trudeln mit der Zeit im Hof ein. Alle werden wir aufbrechen, um dann 24 Stunden lang ausschließlich zu Fuß über die Berge unterwegs zu sein. Brot, Marmelade, Käse und etwas Joghurt. Das Frühstück ist getan, der Rucksack bereit, die Stöcke auf Länge. Das „Bleibe-Gewand“ lege ich in einen Beutel, um im „Geh-Gewand“ die Strecke zu bewältigen. Die Sonne wird uns nicht einheizen, eher der Regen nässen. Die Regenhose bleibt von Beginn bis zum Schluss angezogen. Sie ist angenehm zu tragen und schützt vor Nässe von oben genauso wie vor dem Nass der Gräser am Wegrand. Immer ein trockenes T-Shirt und einen trockenen Pulli für die Pausen dabei. Das habe ich beim Weitgehen gelernt: Nie nass sitzen. Ansonsten ist meine Philosophie, dass ich nass gehe. Das heiß, wenn ich von innen (Schweiß) und/oder außen (Regen) nass werde, dann ziehe ich nach den Pausen die nassen Sachen wieder an. Eh klar, werden die einen sagen. Igitigit, sagen die anderen. Wer das annehmen kann, für den wird der Rucksack wirklich leicht. Und er ist heute leicht. In den Pausen werden wir versorgt. Die Route ist mit 66 km und 2.900 Höhenmeter vorgegeben. Die Guides haben sie schon mehrmals unter die Füsse genommen. Da bin ich mir sicher und darauf ist Verlass. Gerlinde Kaltenbrunner nimmt das Mikro in die Hand, begrüßt uns alle mit ihrer angenehmen, fast leisen Stimme und ermutigt uns. Da Gespräch mit ihr in Windischgarsten zu „Viel mehr Glück“ schwingt bei mir mit. Die Sponsoren und die Organisatorinnen bekommen auch noch kurz das Wort. Der Betrag von 14.000.- EUR (unser aller Startgeld) wird im Herbst nach Nepal überbracht, um Schulen weiter auszubauen und die Erdbebenfolgen „aufzuarbeiten“. Da habe ich gerne dazugelegt. Für Nepal. Und Nepal geht mit, mit jedem Schritt, die Menschen, die Projekte. Es sind für mich 24 Stunden „meditatives Gehen“ zusammen mit den Menschen in Nepal.

Die Gespräche und das Schweigen

Die Route ist schnell erklärt: Bad Goisern, hinauf zur Goiserer Hütte, hinunter nach Gosau, hinauf zur Rossalm, hinüber nach Hallstatt, den Soleweg hinaus nach Steeg, hinüber nach St. Agatha, hinauf bis fast auf den Gipfel des Predigstuhl bei Nacht und wieder hinunter über die Ewige Wand nach Bad Goisern. Um 7 Uhr früh starten wir und kommen um 6.45 Uhr früh wieder zurück. Ich habe nicht gezählt, aber es waren über 19 Stunden reine Gehzeit. Die Hälfte bei Tageslicht und die andere Hälfte mit Stirnlampe. Das Wetter war „verhangen“. „Nebelreißen“ war am Vormittag und Nachmittag unser „Anfeuchter“. Dann wurde es trockener. Der erwartete nächtliche Regen hat uns verschont. Herausfordernd war es aber allemal. Ich selber habe die Gespräche mit den verschiedenen zum Teil mir bisher unbekannten Menschen genossen. So viel Lebenserfahrung, so viele Weltreisende neben mir, Suchende und Sehnsüchtige, tolle Menschen mit Engagement in jeder Hinsicht. Oft hat sich schon bestätigt: In die Berge gehen Menschen, die hell, wach und open minded sind. Selten was Dumpfes dort angetroffen. Gerade auch das lange Gespräch mit Gerlinde Kaltenbrunner hat mir wieder gezeigt, wie „spirituell sehnsüchtig“ die Menschen heute sind. Auch sie erlebt das bei ihren Vorträgen, ihren Seminaren, am Weg. Ich erzähle ihr, dass gerade auch Orden „spirituelle Sehnsuchtsorte“ sind oder zumindest sein könnten. „Die Menschen suchen Tiefe und Weite und finden oft Oberflächlichkeit.“ Solche Gespräche nähren, ermutigen, stärken.  Genauso wie das Gespräch mit dem „Geldüberbringer“ nach Nepal von den Naturfreunden St. Pölten. Jahrelang engagiert und immer wieder „drüben“, um aufrichten zu helfen. Mit der Finsternis kurz vor dem Salzbergwerk Hallstatt wurden die Gespräche am Weg weniger. Gegen Mitternacht hat sich ein Schweigen eingestellt, das gegen 3 Uhr morgens durchgängig wurde. Die Schritte, die aufschlagenden Stöcke liegen im Ohr und der Lichtkegel der Stirnlampe vor Augen. Das ist jetzt meine Welt in Bewegung.Bei mir stellt sich eine Blase ein, am linken Fuß. Aus meiner Sicht ein Zeichen für eine „Schwachstelle“. Aber es geht. Die Schritte zurück in den Ort Bad Goisern auf dem alten Kirchensteig „passieren“. Die Füsse gehen mit mir, leichte Schmerzen von der Fußsohle flüstern mir ins Ohr. Gut angekommen fallen wir uns um den Hals, gratulieren einander und ich bin dankbar. Für die Schritte, die Gemeinschaft und die Hilfe, die jetzt nach Nepal geht. Der Zug bringt mich heimwärts. Ich stelle den Wecker, weil ich weiß, dass ich einschlafen werde. Ein Erlebnis der besonderen Art.