Das Lichtermeer und dreißig Jahre weiter

Es war beeindruckend, das Lichtermeer 1993. Es war allerdings noch bedrückender, was sich davor an Fremdenhaß aufgetan hat. Und bis heute wurde und wird dieser Fremdenhaß „gepflegt, geschürt, für normal gesehen“. Es braucht eine neue Liebe zum Fremden, uns fremd Gewordenem, Achtsamkeit dem ganz Anderen unter uns. Meine Antworten im Interview mit der Kooperationsredaktion der Kirchenzeitungen in Österreich wurde von der Kathpress so zusammengefasst.

Das Fremde ist eine Bereicherung: Das hat Ferdinand Kaineder, Präsident der Katholischen Aktion Österreich (KAÖ), anlässlich des 30-Jahr-Jubiläums des „Lichtermeers“ betont. Eräußerte sich im Interview mit der Kooperationsredaktion der österreichischen Kirchenzeitungen (aktuelle Ausgabe). Kaineder hat 1993 mit Theologiestudierenden aus Linz am „Lichtermeer“ in Wien teilgenommen. Dass heute eine solche Menschenmasse gegen Fremdenfeindlichkeit auf die Straße gehen würde, glaubte er nicht. Dennoch sah er hoffnungsvolle Initiativen in Kirche und Gesellschaft.

„Vielfalt, Diversität macht uns stärker und resilienter. Natürlich gibt es die Tendenzen, alles gleich zu machen. Das Christliche hat aber immer eine Affinität zum Fremden“, unterstrich Kaineder. Es gehe sich einfach nicht aus, Jesus nachzufolgen und die Fremden zu verachten. Manches könne zu viel sein, dann seien rechtlich gute Regeln gefragt. „Aber im Prinzip ist in uns nicht nur eine Liebe zum Feind, sondern eine wirkliche Liebe zum Fremden. Das ist etwas, was wir wieder entdecken müssen“: Das Leben im Daheimsein mit den Fremden. „Das ist anspruchsvoll, aber aus meiner Wahrnehmung die wirkliche Innovation. Gott selbst ist auch immer im Fremden gekommen.“

Kaineder stellte der heutigen Fremdenfeindlichkeit Bewusstseinsbildung entgegen. Die KAÖ-Dossiers über Themen wie den Weg zum Frieden oder Geschlechtergerechtigkeit könnten als „Wegweiser“ dienen. Er hob drei begleitende Faktoren hervor. Erstens liege in der Vergemeinschaftung von Menschen ein „Urbedürfnis“. Zweitens sei es der KA „in die DNA geschrieben“, die Stimme zu erheben für Menschen, die stimmlos gemacht werden. Drittens gehe es darum, Avantgarde zu sein für neue kirchliche Präsenzen. Die KA sei immer federführend dabei gewesen, Neues weiterzuentwickeln. Für die Frage der Migration, „der Menschen, die unter uns Platz nehmen wollen“, bedeute das, Gastfreundschaft zu zeigen. „Das ist nicht einfach, aber eine spannende Geschichte.“

Eine Viertelmillion Menschen wie 1993 auf die Beine zu bringen, hielt Kaineder heute für „de facto nicht mehr möglich“. Die Verbündungskultur sei den Menschen in Österreich fremd geworden. „Was uns verbindet, ist uns fremd geworden. Wir müssen gesellschaftlich gemeinsam Zeichen finden, um gegen verschiedene Feindlichkeiten aufzutreten.“ Es sei fast normal geworden, „dass es Reiche gibt und andere, die uns nichts angehen“. Das brauche auch Manifestationen, „dass wir viele sind und das nicht durchgehen lassen. „Damals, 1993, war es ein tiefes Bedürfnis, gemeinsam aufzutreten. Und die vielen Lichter waren wirklich beeindruckend“, unterstrich er.

Beim „Lichtermeer“ am 23. Jänner 1993 waren 250.000 Menschen, Zigtausende davon aus anderen Bundesländern. Die KA war sehr präsent, mit der damaligen KAÖ-Präsidentin Eva Petrik an der Spitze. „Jörg Haider hatte damals so richtig begonnen, auf populistische Art gegen Ausländerinnen und Ausländer zu hetzen. In der Gegenbewegung waren unterschiedlichste Gruppierungen zu finden“, erinnerte sich Kaineder.

Es sei aber nicht von Anfang an selbstverständlich gewesen, dass sie im kirchlichen Bereich mitgetragen wurde. Doch neben Kardinal Franz König und Weihbischof Florian Kuntner hat auch Kardinal Hans Hermann Groër an den Kundgebungen teilgenommen. Kaineder erinnerte daran, dass auch die Themen des „Ausländervolksbegehrens“ in der Kirche kontrovers diskutiert wurden. „Es gab Katholikinnen und Katholiken, die mit Haider sympathisiert haben. Das ist bis heute ein offener Graben. Es ist die populistische Kunst, mit dem Sündenbockmechanismus zu arbeiten.“ Das bringe Wählerstimmen. „Die Ausländer- und Migrationsphobie, die geschürt wurde, hat sich wie ein roter Faden durchgezogen und ist heute genauso Thema wie damals“, so der KA-Präsident.

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