Leben im Weniger

Weihnachten steht vor der Tür. Als Katholische Aktion – und das tun wir es als Präsident:innen-Team – wollen wir die Menschen im eigenen vielfältigen KA-Netzwerk und darüber hinaus ermutigen, das Weihnachtsfest zum Anlass zu nehmen, um dem Weniger entlang der Route zum Wesentlichen nachzugehen und, wo es zu viel „zu wenig“ gibt, dorthin den Ausgleich zu legen. Die Krippe im Stall von Bethlehem als Ort der Gottgegenwärtigkeit erinnert uns daran.

Wir können nicht weitermachen wie bisher. Es sind radikale Schritte nötig, um beispielsweise die ökologische Umkehr, einen Wandel hin zu einer sozial-ökologischen Politik und Wirtschaftsordnung einzuleiten. Das schreiben wir in unserem Dossier zur Mitweltgerechtigkeit gleich zu Beginn. Wenn wir ungeschminkt hinschauen auf diesen Planeten, die ausgeprägten aufwändigen Lebensstile, den Ressourcenverbrauch in den sogenannten „entwickelten“ Ländern sehen, dann ist die Menschheit gerade dabei, ihr eigenes Zuhause abzufackeln. Der Kapitalismus in seiner neoliberalen Ausprägung ist zutiefst infrage zu stellen. Er erzeugt nicht nur Wachstum, sondern benötigt dieses Wachstum, um einigermaßen stabil zu sein und nicht in schwere Krisen zu geraten. In einer endlichen Welt kann man allerdings nicht unendlich wachsen. Noch leben viele in dieser Art von Überflussgesellschaft, wo ein genereller Mangel kaum vorstellbar ist und die Idee fremd wirkt, dass gemeinwohlorientierte Planung und Rationierung nötig sein könnten. Denken wir an das Wasser oder an Energieformen, die begrenzt vorhanden sind, dann wird klar, dass der Markt hier nicht weiterhilft, weil sich dann nur die Reichen, die Wenigen damit eindecken könnten. Deshalb wird es notwendig sein, eine neue Art von Subsistenz-Wirtschaft oder „Überlebenswirtschaft“ zu etablieren. Wer heute die Gedanken und Pläne dorthin lenkt, wird den größten Grad an Resilienzfähigkeit und -können entwickeln. Es braucht den Gedanken der fairen Genügsamkeit, die sich am Wesentlichen und am Einfachen entfaltet.

Warum diese Gedanken zum Weihnachtsfest?

Als Katholische Aktion und ihre Gliederungen wollen wir mithelfen, den Wandel und die Transformation in eine gute Zukunft für alle Menschen – im Gegensatz zu Gesellschaftsmodellen der glücklichen und erfolgreichen Wenigen – zu unterstützen und mitzugestalten. Dieses „Leben im Weniger“ wurde uns gerade im Setting der Ankunft Gottes unter uns Menschen als Vor-Bild hingestellt. Jesus kam nicht im Hotel, nicht in einer anderen Komfortzone zur Welt, sondern „draußen bei den Hirten und Schafen“, bei denen, die ganz im Weniger gelebt haben und auch leben mussten. Gottes Ankunft in dieser Welt, die wir zu Weihnachten feiern, ist so ein besonderer Solidarakt Gottes mit den Menschen im Weniger. Was das Leben dieser Menschen auszeichnet, ist ein besonderes Gefühl der Verbundenheit, der Zusammengehörigkeit, der Sehnsuchtspflege, der gemeinsamen Lebensbewältigung und das Feiern. Die Hirten kamen, sangen und spielten, brachten das Wenige mit. Genau deshalb sehen wir es als besondere Aufgabe der Katholischen Aktion, Menschen zu verbinden, zu verbünden, sie zusammenzubringen, damit sie Lebensgemeinschaften in Gruppen wie bei der Jungschar, der Jugend, den Frauen und Männern, den Arbeiter:innen und den Akademiker:innen leben können. Und genau hier ist uns wichtig, dass es keine Barrieren gibt und jede und jeder Zugang findet, auch die, die sich gerade als Fremde fühlen. Hat der Fremde oder das Fremde nicht mehr Platz, ist eine Gruppe eigentlich der Selbstgenügsamkeit und längerfristig dem Ende ausgeliefert. Als Katholische Aktion wollen wir deshalb immer wieder die Stimme erheben, damit alle eine lebenswürdige Basis finden und sich einbringen können.

Existentiell und nicht sentimental

Die Weihnachtsgeschichte ruft uns das immer wieder in Erinnerung. Wer diese Geschichte existentiell (und nicht nur sentimental) hört, sieht und spürt, wird garantiert keine Türen zuschlagen und keine Mauern errichten. Wer sich einschließt, wird Gott, der immer im Fremden und draußen kommt, nicht mehr spüren und wahrnehmen können. Deshalb reden und handeln wir für eine weite Öffnung aller gesellschaftlichen Felder. Wenn die Sternsinger nach Weihnachten das von Tür zu Tür tragen und singen, dann bitten sie darum, sich selbst näher ans Weniger zu setzen und das Leben mit anderen Ländern, den Projekten dort zu teilen. Unser Weniger lässt woanders Menschen aufgerichteter leben. Mit dem Weihnachtsfest verbinden wir einen ganz tiefen Impuls in Richtung Politik, die Rahmenbedingungen so zu setzen, dass wir nicht auf kurze Sicht unser eigenes Haus abfackeln im Immer-mehr und im Paradigma des Wachstums. Niemandem soll die Mauer gezeigt werden, und das Wohlergehen aller Menschen auf dieser Erdkruste soll im Blick bleiben. Das heißt, alles nur Erdenkliche zu tun, damit die Kriege und Unterdrückungen auf dieser Welt einem Ende entgegengehen.

Weihnachten ist ein Beziehungsfest

Die Herausforderung, ein Leben im Weniger zu riskieren, geht vor allem an die Komfortzonen und an die Wohlhabenden; sie sind aufgerufen, dem Zuviel an Armut, an Einsamkeit, dem Straucheln entlang der Armutsgefährdung ein Weniger im eigenen Lebensstil und von Grund auf gerechte Strukturen entgegenzusetzen. Das gilt genauso für die Kirche und ihre Lebenswirklichkeiten. Weihnachten ist ein Beziehungsfest. Beziehung heilt und Gemeinschaft hält. Gottesbegegnungen im „Draußen und Brüchigen“ werden gerade jetzt in vielen gemeinschaftlichen Rorate-Gottesdiensten gesucht.

Und wie ist das konkret gemeint?

Weniger Handy, mehr Gespräch.
Weniger Geschenke, mehr Zeit.
Weniger einsam, mehr gemeinsam.
Weniger fahren, mehr gehen.
Weniger (besser überhaupt nicht) fliegen, mehr in die Nähe reisen.
Weniger TamTam, mehr Stille.
Weniger Technik, mehr Natur.
Weniger Mammon, mehr Gott.

Usw.