Ein ganz normaler Sonntag

Meinen Sonntag halte ich offen, damit ich offen bleibe. Natürlich begegnen einem in dieser Offenheit ganz verschiedene „Themen“. Das ist der Sinn meiner Offenheit. Das beginnt damit, dass mich das Ausschlafen weckt und nicht der Wecker. Dessen verlässlicher Job ist morgen Montag wieder ganz früh dran. Es ist trotzdem früh. Die Sonntagszeit hat aber eine andere Qualität. Das hat damit zu tun, dass ich normalerweise keine „Sonntagsverpflichtungen“ mehr habe. Das tut gut. Ja, sage es ganz offen. Es tut gut und öffnet.

Die Predigt der Zeitung

DomGut, dass auch am Sonntag eine Zeitung bis zur Haustüre kommt. Ich genieße die auf Papier gepressten Gedanken. Konklave mag ich heute nicht mehr „hören“, weil ich in den letzten Tagen wieder einmal aus erster Hand einiges über das „Kardinalsleben“ erfahren habe. Wieder einmal kommt die Aussage des Pfarrprovisors hoch: Je weiter du oben in die Hierarchie hineinsiehst, umso mehr wird dein Glaube geprüft. Ob die Kardinäle den Presse-Artikel „Hätte ich doch besser…“ gelesen haben? Nein, denn sonst wüssten sie gleich am Morgen, dass es im Leben (so sagen Sterbende) um etwas ganz anderes als Macht und Arbeit geht. Und Freundschaft dürfte unter Kardinälen einen ähnlichen Beigeschmack haben wie auf Facebook. In jedem Fall dort wie da: Tiefe Freundschaft ist nicht gemeint. Der Pressesprecher Michael Prüller schildert heute angesichts der Abschottung der Kardinäle beim Gebet seine Schlussfolgerung: Weniger Nimbus und mehr Christus. Ich meine: Mehr Jesus täte dem Konklave gut. Das bringt Jon Sobrino im Interview in der Orientierung am Punkt. Der neue Papst muss die Option Gottes für die Armen klar und unmissverständlich leben. Das spricht einer aus der Spur Jesu. Christus ist ja in keinster Weise falsch, aber hat ein „Abheben“, eine „Überhöhung“ an sich. Und überhöht ist schon zu viel im Vatikan.

Und wo ist die Mutter?

Der Gottesdienst im Linzer Dom wird musikalisch von vier Männern unter der Leitung von Tobias Chizzali gestaltet: mannOmann nennen sie sich. Der Regens des Priesterseminars führt in seiner Predigt „in das Wesen Gottes ein“. Das Gleichnis vom barmherzigen Vater legt er einfühlsam dar. Ich sitze in der Bank und genieße die Schönheit der Liturgie, der Gedanken und der Musik. Und dann dreht sich langsam ein großes Fragezeichen hoch: Der Vater, zwei Söhne und hier treffen wir auf das Wesen Gottes. Wo ist die Mutter der Söhne? Wo die Frau des Vaters? Wäre schön, wenn sie im Gleichnis einen Platz gefunden hätte, wo wir wissen, dass den Frauen eine ganz große Rolle bei der Grundlegung des Lebens und Glaubens zukommt. Auch das Fest, dass der Vater ausruft, wird wahrscheinlich von der Mutter mitgefeiert. Ich verlasse den Dom genährt und trage eben dieses Fragezeichen: Geht es überhaupt, das Wesen Gottes anzudeuten, ohne die Mutter zu erwähnen?

Sie sollen heiraten

Die Wirtin am Wildberghang hat Schaf auf dem Programm. Das soll am Laetare den Mittagshunger bearbeiten. Das Schaf hat nicht nur den Hunger bearbeitet, sondern Genuss gestiftet. Am Tisch daneben war wie in diesen Tagen überall „die Kirche und der Papst“ das Thema. Lautstark haben die sechs älteren Frauen und Männer darin übereingestimmt: „Der neue Papst soll sie doch heiraten lassen, die Pfarrer.“  Dabei schauen sie auf unseren Tisch herüber, weil wir uns kennen. Ich bleibe beim Schaf und genieße es und kann es nicht glauben, dass der neue Papst da etwas machen „darf“. Ihre Einschätzung wird nicht gehört werden. Oder es geschieht ein Wunder. Da wurde zu lange und zu intensiv betoniert. Der lange Aufstieg zu Fuß aus dem Haselgraben „himmelwärts“ nach Kirchschlag hat die Gedanken frei gemacht. Vorfreude kommt auf. Am Samstag geht es wieder einmal nach Assisi für ein paar Tage. Da wird der neue Papst in Rom sein. Wir freuen uns schon darauf. Seit langem hole ich die „Assisi“-Schachtel hervor und lasse die Zeit vor und nach meinem Gehen nach Assisi 2009 zurückkommen. Aus heutiger Sicht eine unglaubliche Zeit. Bei „Nachschauen der Orientierung“ kommen mir noch die Morgengedanken von Bischof Küng entgegen: „Gott weiß längst, wer kommen wird.“ Am Dienstag werden 115 Kardinäle versuchen, die Entscheidung Gottes zu „treffen“. Ihre Entscheidung ist dann Gottes Entscheidung. Logisch.
Wer weiß, ob Gott nicht einen Wutanfall bekommen wird, wenn der weiße Rauch aufsteigt? So offen sollte uns der Sonntag machen. Oder?