Einhundert Jahre geschenkt

Franziska JägerstätterHeute feiert eine ganz große Oberösterreicherin ihren 100.sten Geburtstag: Franziska Jägerstätter. Wer sie persönlich kennt, wird mir zustimmen, dass sie ein besonders „begnadeter Mensch“ ist. Sie ist in jeder Hinsicht ein Geschenk Gottes an uns Menschen, vor allem an uns Christinnen und Christen. Was mich bei jeder Begegnung mit ihr berührt hat, war ihr tiefes Vertrauen dem Leben gegenüber. Bei ihr habe ich immer den Eindruck, dass sie ganz im Hier und Jetzt und doch in allem mit dem Himmel, dem weitaus Größeren verwoben ist. Mich hat der Ausspruch von Vaclav Hawel immer angesprochen – bis heute: „Hoffnung ist nicht die Überzeugung, dass etwas gut ausgeht, sondern die Gewissheit, dass etwas einen Sinn hat, egal wie es ausgeht.“ Verkörpert finde ich diese Weisheit in Franziska Jägerstätter.

Die Nicht-Rednerin sagt alles

Ich kann mich noch gut erinnern an die Seligsprechungsfeierlichkeiten. Unglaublich viele und zum Teil auch berührende Ansprachen wurden gehalten. Sie selber hat immer aufmerksam zugehört und wenn sie dran war, dann war es entweder eine humorvolle Pointe oder ein treffender Satz, der ihre Gefühle zum Ausdruck gebracht hat. Ihr Kommentar bei einem Nachtreffen zur Feier im Dom war lapidar: „A bisserl viel Latein. Das versteht doch keiner.“ Es war das Gefühl einer Frau, die ihn Bescheidenheit und Demut ein Stück der Reliquie ihres Mannes nach vorne getragen hat. Oder sie sitzt vor dem Jägerstätter-Haus in St. Radegund und wartet auf uns Wallfahrer. Sie lächelt und schüttelt allen die Hand. Sie ruht in sich und mir kommt sie vor wie ein „Fenster in eine versöhnte weite Welt“. Sie nimmt alle Menschen wahr und hat – so habe ich das Gefühl – den Wunsch, dass alle sich dieser versöhnten, gewaltfreien Welt öffnen. Sie hat auch gelernt, die Fotoapparate und Kameras „zu ertragen“. Sie freut sich ungemein über die vielen internationalen Kontakte und Menschen, die mithelfen sich dieser gewaltfreien und versöhnten Welt zu öffnen. Sie erträgt die Fragen der Journalisten und findet alles nicht so wichtig, was sie da über sie wissen wollen. Sie ist für mich eine „Nicht-Rednerin“, die doch alles sagt in dem, wie sie ist: ungeteilte Aufmerksamkeit dem tiefen spirituellen Leben gegenüber. Wenn du predigen gehst, dann ist das Gehen die Predigt. Das könnten sich viele der Redner und Prediger von ihr abschauen: Man muss eigentlich gar nichts reden, um alles zu sagen. Für mich ist sie auch eine „Selige“. Sie öffnet mich für die Gnade Gottes, den versöhnten, einfachen, gewaltfreien Himmel. Einhundert Jahre. Ein großes Geschenk an uns heute und jetzt.