Ein neues Verhältnis zu Mitwelt und Natur

Persönlich freue ich mich schon auf den 4. Okt 2025. Da wird es ein „Fest für die Erde“ in und um den Linzer Dom geben. Die Ideen sind noch frei fliegend, mit Überraschungen darf man rechnen, Fixes wird gerade fest gemacht, oder wie Hartmut Rosa in seinem Büchlein „Beschleunigen wir die Resonanz“ auf Seite 67 schreibt: „Eine Weltbeziehung nach dem Modus der Resonanz ist immer offen.“ Mit dieser Offenheit feiern wir die Erde, die von uns ein neues Verhältnis zu ihr verdient. Darüber jetzt fragmentarisch.

Wer mit „Resonanz“ und Hartmut Rosa schon in Berührung kam, wird vielleicht erahnen, worum es in diesem Beitrag gehen wird. Der Mensch hat in den letzten Jahrhunderten und vor allem durch den (neoliberalen) Kapitalismus ein „verdinglichtes Verhältnis“ zur Natur und Mitwelt entwickelt. Alles wird schneller und „Wir sind fast so weit, unser Gehirn mit Maschinen zusammenzulegen, unsere Wahrnehmungsorgane der Kontrolle von Chips zu überlassen, die Leistungsfähigkeit unsere Gedächtnisses zu erhöhen, die Funktionsweise unseres Körpers künstlich kontrollieren zu lassen …“. Tatsächlich werden wir schneller und dynamischer als wir jetzt sind. Wozu?  „Man muss sich nur die Nachrichten ansehen, um zu erkennen, wie dämlich sich die Menschen verhalten und wie wenig es gelingt, die kleinsten Probleme zu beheben.“ Es gelingt dem Menschen nicht, die Ökologie in Balance zu halten, Frieden zu stiften, die EU zusammenzuhalten, den Nahen Osten zu befrieden, die Kampfhandlungen in der Ukraine zu beenden. Nur ein paar Beispiele. Die einzige Hoffnung, die die derzeitige Welt propagiert, ist die, dass sich der Mensch mit Computer und Technologien zusammentut, ein technogenes Leben mit Algorithmus als Basis. Das findet Rosa zwar zynisch, zeigt aber, „wie dämlich wir sind“.

Verdinglichung und Anverwandlung

Das überall verdinglichte Verhältnis zu allem, was uns umgibt, hat diese Haltung und Unfähigkeit hervorgebracht. Die meisten Menschen haben sich zum in sich abgeschlossenen Subjekt und Individuum entwickelt, ich würde sagen: eingewickelt, verwickelt. Wir haben die Resonanzfähigkeit am Weg bis hierher großteils verloren. Dabei ist Beziehung die Basis für Subjektwerdung. Subjekt wie Welt sind schon  das Ergebnis von Beziehung. Ich erinnere mich: Beziehunt heilt. „Die gelungenste Resonanzform liegt darin, auf die Stimme des anderen zu hören und unsere eigene Stimme vernehmbar zu machen, damit Resonanz horizontal verläuft.“  (s 40). Rosa taucht in die Welt der Bildung ein.  Dort unterscheidet er zwischen „Aneignung von Kenntnissen“ und die „Anverwandlung, die zu Transformation führt“. Kompetenzen und Wissen werden heute angehäuft ohne dass sie etwas in den Personen bewirken. Dafür braucht es die Prozesse der Anverwandlung, die sich mit der Welt und Mitwelt unterhalten. Wer so unterrichtet, weiß nicht, was sein Unterricht bewirkt, ist nicht einfach abprüfbar oder mit Tests evaluierbar. Resonanz öffnet und bleibt offen. Normalerweise lernen wir das Gegenteil, das Verdinglichen. Beim Verdinglichen berühre ich nichts und lasse mich auch nicht berühren. „Im Überwinden dieser Mauer der Empfindungslosigkeit, im sensiblen Reagieren auf andere Menschen, auf den Stoff einer Unterrichtsstunde und im erneuten Sich-Öffnen besteht die wahre pädagogische Herausforderung.“ Danke an so viele Lehrerinnen und Lehrer, die genau das immer wieder tun, auch gegen das „verdinglichende Bildungssystem“.

Gastfreundschaft und kollektives Wagnis

Eine Welt- und Mitweltbeziehung im Modus Resonanz ist immer offen. Wir müssen wieder viel mehr lernen, der Mitwelt zuzuhören, sie neu wahrzunehmen und ihr zu antworten. „Das ist etwas ganz anderes, als über sie zu verfügen.“ Das gilt für die Wirtschaft genauso wie für Ackerflächen oder Luftfahrtstraßen. Auch bei der Weltsynode hat sich der Modus Resonanz auf Augenhöhe ausgebreitet, als offener und öffnender Prozess. Nur die „hierarchischen Verdinglicher“ haben ein gesondertes Schreiben des Papstes erwartet. Er hat aber nur gesagt: Gilt, geht jetzt, hinaus und hört auf eure Mitwelt. Höre. Und nehmt diese Frage mit: „Wie hat man sich einen von Aufmerksamkeit für den anderen, von Gastfreundschaft und kollektivem Wagnis geprägten sozialen Raum (als Kirche) vorzustellen?“ Gastfreundschaft, gemeinsames Wagnis und indiviualisierte Ethik spielen das gemeinsame Spiel.

Unverfügbare Resonanz

Das Büchlein von und mit Hartmut Rosa schließt auf s 77: „Ich persönlich denke, dass wir zunächst einmal zuhören müssen.“ Aus dieser neuen Aufmerksamkeit, die immer wieder ein Prozess des Öffnens ist, erwächst das Vermögen, „den Umständen entsprechende Lösungen zu finden und in neuen Formen des Zusammenlebens zu experimentieren“. Was müssen wir also lernen? „Zuhören und die Beziehung zu den anderen und zur Welt als Mitwelt wieder aufnehmen. Als erstes müssen wir klären, in welcher Beziehung wir zu den anderen und zur Welt stehen wollen.“ Aus meiner Sicht ist heute  lupenrein klar: „Macht euch die Erde untertan“ war eine irreführende Sichtweise hin zu einer Verdinglichung und Beherrschung der Natur. Die Welt, unsere Mitwelt hat sich vom Menschen was anderes, was besseres verdient: Ein offenes Verhältnis, eine respektvolle Wahrnehmung in dialogischer und unverfügbarer Resonanz.