Radikale Veränderung aus dem Inneren

1_img_2988Es ist noch sehr früh. Erster Adventsonntag. Mangels Bus aus dem Bergdorf bin ich mit dem Auto nach Ungenach zum Männertag der KMB unterwegs. Es fährt sich einfach, weil noch ganz wenige Leute unterwegs sind. In Vöcklabruck komme ich am Bahnhof vorbei und sehe das große Stahlgebilde, das ich schon öfters vom Bahnhof kommend „auf der anderen Seite“ ohne große Wahrnehmung gesehen habe. Heute taucht es rechts im Blickfeld auf, Bremse und Blinker sind sofort aktiviert. Die beiden ineinander liegenden Pfeile haben mich „angesprungen“. Wahrscheinlich auch gesteuert durch die Gedankengänge zum kommenden Vortrag bei den Männern in Ungenach. „Schwächelt das Christentum?  Steht das Ende der christlichen Kultur bevor?“ Auf Facebook haben Freunde schon Hilfreiches dazu gepostet und damit der Themenstellung die „bedrohliche Apokalyptik“ genommen. In dieser Stahlskulptur ist mir früh am Morgen die „Lösung“ entgegengekommen. Es ist wie beim Gehen. Das Leben und die Lösungen kommen dir entgegen. Ich habe Fotos gemacht, habe die Skulptur angeschaut, von allen Seiten. Und immer wieder ist in mir die Aussage aufgestiegen: „Radikale Veränderung aus dem Inneren“. Aus dem Innersten des Stahlstückes wird ein Pfeil herausgenommen und wieder eingesetzt, in die ganz andere Richtung weisend. Das spüre ich in dieser Gesellschaft immer wieder, dass aus dem Innersten, dem Kern ein großes Stück herausgenommen werden sollte und in die andere Richtung eingesetzt werden müsste, damit wir eine gute Zukunft für alle Menschen haben, nicht nur für wenige.

Christen müssen Atheisten sein

2_img_2990Inspiriert von dieser Skulptur bin ich im Vortrag ein paar Gedanken nachgegangen, die ich mit den etwa 50 Männern geteilt habe. Ich wollte „Basics für den Rucksack in Richtung Zukunft zusammenrichten“, damit  für jeden einzelnen und zusammen als Community ein gutes Gehen möglich ist. Vorausgeschickt habe ich einige „Betrachtungsweisen“: Ist das Christentum jetzt mehr Thermostat oder Thermometer? Dann: Die wirklich bestimmende und dominierende Religion heute ist die Geld-Religion, die den Mammon als allseits verehrten „Gott“ führt. Also: Es wird auch von uns Christen ein großes Stück „Atheismus“ verlangt gegenüber diesen Mammon-Religionen. Gemeinsam haben wir beobachtet, dass heute die Rituale zum Großteil von der Gesundheits-, Wellness- und Medienwelt kreiert und praktiziert werden. Individuelle Gesundheit wird als das höchste Gut gesehen und zum Beispiel weniger das gemeinsame Wohlergehen im Gemeinwesen. Und Christentum triftet da zumindest zeitweise ab in diese „Wellness-Schiene“. Dann schwächelt es.

Advent in diese Richtung

3_img_2995Dem Buch von Ilia Trojanov „Der überflüssige Mensch“ haben wir dann weiten Raum gegeben. Auch von Bischof Kräutler habe ich erzählt, dass in Brasilien in offiziellen Dokumenten des Staates die indigenen Völker im Tropenwald dem Tierreich zugeordnet werden. Nochmals, weil so unglaublich: dem Tierreich zugeordnet. Menschen werden nicht als Menschen gesehen, die Würde abgesprochen und als „überflüssig erklärt“. Wenn sich heute Caritas als Anwalt für diese Menschen sieht und agiert, wenn Papst Franziskus sich, sein Amt und die Kirche an diese Ränder führt, dann ist Christentum „stark“. Und so haben wir an diesem Vormittag unsere Gedanken, Erfahrungen und Einschätzungen unter uns Männern „geteilt“ mit dem Finale, „dass christlich inspiriertes Leben immer anschlussfähig ist, geradezu neugierig dem Fremden gegenüber und in dieser Synapsenfähigkeit prophetisch in der Gesellschaft, in jedem Gemeinwesen wirkt“. Gesellschaft braucht uns jesuanisch geprägte Christen. Warum? Mehr denn je braucht es Menschen, die das einfache, vom Wohlstands-Schrott befreite Leben als gutes Leben wagen. Wirklich tiefes gemeinschaftliches Leben hat uns die Geld-Religion „ausgetrieben“. Der Mensch wird gerade zum User und  Konsumenten degradiert und das braucht ein tiefes, hellwaches Bewusstsein dafür, dass wir Bürger, Menschen sind. Außerdem: Es braucht unseren Einsatz am Rand entlang und wieder einige Mutige, die den Weg zum Thermostat suchen und wieder hinaufdrehen, damit die soziale Kälte nicht weiter Platz greift.
Außerdem: Es ist erster Adventsonntag und es brennt die erste Kerze „in diese Richtung“.
Und: Danke den Männern von Ungenach für diesen inspirierenden Vormittag.
Eine besondere Freude war es, dass ich Pfarrer Josef Friedl daheim bei ihm begegnet bin. Wie geht es? „Den Umständen entsprechend. Bin zufrieden.“