Sperrfrist neu

Die Regierung hat heute das 5 Punkte Programm zur Lösung der Flüchtlingsunterbringung präsentiert. Im Zug hat dieser Tage ein Mitreisender gemeint: „Wir werden uns in 10 Jahren schämen für diese Zeit.“ Ja. Das Vorhaben ist äußerst notwendig, um endlich die Flüchtlinge aus ihrem obdachlosen Gefängnis in Traiskirchen zu befreien. Es ist ein wichtiger Schritt am garstigen Graben zwischen Fremdenhass und Hilfsbereitschaft entlang. Menschenwürdige Unterbringung wird leichter möglich und Hilfsbereitschaft wird erleichtert, den NGO’s wieder direkt möglich. Auf meine Mauer hin zur Zivilgesellschaft habe ich einige positive Rückmeldungen bekommen.

Traiskirchen wäre in einem Tag halb leer

zeltePersönlich bin ich überzeugt, dass Traiskirchen in einem Tag halb leer wäre, wenn Einzelpersonen, Familien, „Amateure“ kommen dürften. Es gibt viele, die ein bis drei Flüchtlinge mitnehmen möchten und eine menschenwürdige Unterbringung zur Verfügung stellen könnten. Wer für die Grundversorgung zugelassen ist, kann mit jemanden mitgehen. Die Personalunterlagen bleiben im Innenministerium – soweit sie überhaupt vorhanden sind – und der „Abholer“ wird mit gültigem österreichischem Reisepass identifiziert. Die Adresse wird angegeben, wo die Unterkunft liegt. Standards sind in einem Merkblatt erläutert. Ein bis zwei Tage später kommt ein Polizist, eine Polizistin dorthin, wo die Flüchtlingen untergebracht sind. Er oder sie fragt nach, ob alles OK ist. Ich weiß schon: Amateure. Es geht mir um den Denk-Ansatz. Es gibt so viel Hilfsbereitschaft, die an der Mauer der Distanz abprallt, frustriert oder gelöscht wird. Ich weiß, für manche ein „irrer“ Gedanke. Bei allen aber, wo ich ihn probiert habe, hat er ein Nicken ausgelöst.

Wem wird das Mikro hingehalten

Wer im Mediengeschäft tätig ist, wird heute wieder Zeuge einer Medien- und PR-Meisterschaft, die da immer lautet: „Wer ist der Schnellere?“ Wer hat die erste Presse- und OTS-Meldung verschickt. Wer hat gleich einmal Stellung bezogen. Natürlich wissen wir, dass die 5 Punkte längst im Hintergrund mit den „medial schnellen NGO’s“ ausgetauscht sind. Stellungnahmen werden fast zeitgleich mit der Präsentation in Umlauf gebracht. „Der erste, der ausruft, bestimmt das Thema am Platz.“ Heute werden die Regierungsmaßnahmen „begrüßt“, für hilfreich empfunden. Es geht mir jetzt weniger um den Inhalt, sondern um die tiefe Dynamik der Medienwelt. Natürlich wissen wir, dass Politik und Medien  die Bühne bespielen und dort ihr „Theater-Stück“ inszeniert aufführen. Viel Geld wird in die Hand genommen, um die Schaupieler zu briefen, überhaupt einen Platz auf der Bühne zu ergattern. Und natürlich wissen wir, dass die Machtfrage das Grundthema jedes „medialen Polit-Stückes“. Genau deshalb ist ja entscheidend, wer zuerst mit wem auf die Bühne tritt, wem das Mikro hingehalten wird und wer die schnellste Antwort gibt. Auf der Bühne gibt es kein Nachdenken mehr. Es wird als „Hänger“ interpretiert, als fad dargestellt.

Eine Sperrfrist neu

Aber ganz ehrlich. Ich würde mir eine „Sperrfrist neu“ wünschen, die besagt, dass zwischen der öffentlichen Präsentation einer „Maßnahme“ und der öffentlichen Reaktion 24 Stunden liegen müssen. Man stelle sich vor, alle NGO’s regieren erst morgen Mittag mit einer Stellungnahme. MitarbeiterInnen, Mitglieder, BürgerInnen „müssen“ sich auf einmal selber Gedanken machen. Die 5 Punkte wirken einmal. Leser- und Leserinnen denken nach, selber. Reden. Diskutieren. Machen sich ein Bild. Es entsteht Raum. Freiraum. Kreativraum. Es beginnt etwas zu gären. Das Tempo verringert sich. Ich meine die der Medien. Klar ist: Es muss heute rasch gehandelt werden, aber noch rascher werden heute ja die Meldungen gehandelt. Eine Turbo-Maschinerie inklusive Twitter und Co ist im Gange. Die Position der meisten Menschen ist ja nur mehr die des Kameramannes oder der Fotografin. Wer berührt denn noch einen Flüchtling, wenn es so berührende Fotos gibt? Das Magazin „Brand eins“ hat sich die Faulheit vorgenommen. Das Thema Entschleunigung wird überall als „Tiefen-Thema“ unserer Gesellschaft gesehen. Ich frage einfach: Wie kann das auf die Medienmaschinerie angewendet werden? Wenn sich die Medien nicht entschleunigen, werden sich die Menschen abwenden. Das tun sie bereits. Offline ist Lebensqualität. Sozusagen persönlich verordnete „Sperrfrist neu“. Es bracht das entschiedene Tun. Das passiert hundertfach. Ich hoffe und zähle auf Medien, die das Tun suchen, beschreiben, zeigen und weniger Stellungnahmen und Polit-Theater in alle Welt übertragen. Aber ich höre schon einige sagen: Wach auf. Das ist auch dein Geschäft. Aber eine Sperrfrist nachher würde ich gerne einmal erleben.