Weniger ist nicht auf Anhieb das Anliegen der Mehrheit

Ich bin noch nicht lange „Wiener“. Die sommerliche „Parkpickerl-Diskussion“ geht nicht spurlos vorbei. Aufgeregtheit liegt in der Luft wie bei jeder Veränderung. Die dahinsiechende VP in Wien hat das „Auferstehungswerkzeug“ entdeckt. Wer das Auto in irgend einer Form in Frage stellt oder mit „Maut“ belegt, kann auf „Auto-Solidarität“ bauen. In Unterschriften wurde das in Wien 120.000 mal zum Ausdruck gebracht. Soweit mir Zahlen zugänglich sind, haben von 10 Personen 1,4 unterschrieben. 8,6 Personen haben einstweilen nichts gemacht. Das ist doch eine große Mehrheit, die der Frage keinen „Aktivitätsimpuls“ versetzt hat. Auch bei mir gibt es kein Impulsbedürfnis zur Auto-Schonung.

Mobilität und nicht Auto

Gut erinnern kann ich mich an die breiten Straßen in den Vororten New Orleans. Ich selber hatte das Gefühl, dass dort dem Auto unglaublich viel Fläche geopfert wird. Es gibt wenige, die wie ich zu Fuß unterwegs waren. Und ebenso wenige waren mit dem Fahrrad unterwegs. Mehr schon mit dem Bus und mit der Tram. Es waren die Ärmeren, die darauf angewiesen sind. Das Auto ist Statussymbol, tausendfach psychologisch durchleuchtet. Wer in dieser Stadt 200 Jahre zurückgeht, sieht die Spuren der autolosen Zeit. Dann hat sich dieses luft- und flächenverzehrende Ungetüm über die Stadt hergemacht.  Das Model Mobilität mit Auto hat eine derartige Plausibilität und Sehnsuchtshaltung dorthin entwickelt, dass ein Weniger beim Auto mit einem unglaublichen Lebensqualitätsverlust assoziiert wird. Dabei gibt es Beispiele (im Buch von C.Chorherr, Verändert! angeführt), wie ein Weniger zu mehr Lebensqualität führt.  Viele spüren das und noch mehr genießen das in den autolosen Zonen. Es ist nur schade, dass diese dann oft mit dem Auto angesteuert werden. Ich selber genieße es ungemein, mich hier nicht mit einem Auto herumschlagen zu müssen. U-Bahn, Straßenbahn, Bus und die Füße bringen mich überall hin. Ehrlich: Vor ein paar Jahren hätte ich mir das nicht vorstellen können. Heute kann ich mir das umgekehrt nicht mehr vorstellen. Das Gehen und die innere Einstellung zur Mobilität haben mich verändert. Aus meiner Sicht. positiv. Ein Weniger an Auto ist ein Mehr an Lebensqualität. „Age of Less“ heißt ein Buch von D. Boshart. Mehr Füße hilft, das eigene Mobilitätsverhalten zu überdenken. Zu Fuß komme ich sehr weit. Aber muss ich überall hin?

NZZ schildert die Einführung des Götzen Auto in Hamburg

„Bald aber machte sich mit dem Auto ein neuer Götze breit. Stadtplaner und Architekten führten weiter, was bereits die Nazis begonnen hatten: die autogerechte Umgestaltung der Stadt. An die Stelle der weitgehend unrealisiert gebliebenen Monumentalität der 1930er Jahre traten nun urbanistische Visionen aus den USA, wie die suggestive Ausstellung «Die Stadt und das Auto» im Museum der Arbeit eindrücklich zu erzählen weiss. Die feinmaschige Stadtstruktur, wie man sie heute noch an der Deichstrasse oder im Gängeviertel erahnen kann, wurde durch breite Strassen überlagert, welche die Verkehrsteilnehmer trennten und die Fussgänger Lärm und Abgasen aussetzten.“ Ich schlage vor, das Rad nicht zurückzudrehen, sondern nach vorne in eine neue menschenfreundliche Feinmaschigkeit der Stadt.