Minderheit und Mehrheit? Eine Frage der Perspektive und der Strahlkraft

Es regnet, wie ich in Lambach ankomme. „Christsein in der Minderheit – Impulse für ein missionarisches Leben“ steht auf dem bunten Folder, der zur Fachtagung 2012 einlädt. Das Stift betrete ich von der Hinterseite und über eine alte Stiege komme ich zum „Normal-Eingang“. Josef Ahammer ist der erste, auf den ich treffe. Die Miva ist Mitveranstalter wie die Ordensgemeinschaften der Frauen- und Männerorden. Der Pfeil zeigt Richtung Refektorium. Dort sammeln sich die etwa 120 BesucherInnen. Noch nicht weiß ich, dass ich beim Mittagessen neben einem Pater aus Argentinien, einer Ordensschwester, die in Neuguinea tätig ist, einer, die in Graz und eine andere, die jetzt nach London geht. Die Schwester gegenüber meint im Laufe des Gespräches: „Ich fahre nächste Woche wieder heim nach Uganda.“ Auch wenn die Akustik im Speisesaal schlecht war, so war die Neugierde stärker und hat uns wunderbar miteinander ins Gespräch gebracht. Ich bin dankbar, in einer solchen „Arbeitsumgebung“ tätig sein zu können.

Den Vortrag twittern

Die Pressearbeit ist bei diesem Kooperationsprojekt schon im Voraus eingefädelt. Kathpress bereichtet, Ö1 ist da und P. Christian Tauchner von den Steylern ist mit Kamera ausgestattet. Die Referate werden per Video aufgezeichnet. Ich werde bei den zwei Vorträgen twittern. Das hat dann doch bei einigen Verantwortlichen Erstaunen ausgelöst. Vor allem Erzbischof Willian D’Souza aus Indien (Bihar) war postiv überrascht, als ich ihm sowohl die Facebookeinträge als auch den Hashtag #Fachtagung2012 gezeigt habe. „There is no time to do this“, meint er recht direkt. Ich habe selten einen so lebendigen, zielorientierten und weltoffenen Erzbischof erlebt. Er hat mit seinen 60.000 KatholikInnen in seiner Diözese unter 25 Millionen Einwohnern eine klare Option: Wir sind für die Menschen da. Die erste Frage für ihn vor allen Dogmen und Vorgaben ist: Was brauchen die Menschen hier bei uns. Da alles trägt er in einem gut verständlichen Englisch vor und ich denke: Gut, dass ich einen Monat in New Orleans war. Er spricht von „barrierefreier Kommunkation“ und dass die Leute einen „Geschmack auf gutes Leben bekommen sollen“. Zeugenschaft ist zentral und Community, die ausstrahlt. „Es geht nicht um die Mehrheit, sondern um die Kraft (powerfull) und die Begeisterung, Salz zu sein. Friede, Gerechtigkeit, Gleichwertigkeit der Geschlechter, gute Versorgung mit Lebensnotwendigem sind die „Richtung, in die es geht“. Hier spricht ein Bischof, der mit den ihm anvertrauten Menschen geht. Zum Abendessen kommt er in Freizeitkleidung und ich erinnere mich dann wieder: „Jeder kann zum Bischof kommen“ und „The Church needs no walls.“

Vom Dorf in die Stadt

Prof.in Maria Widl aus Erfuhrt führt aus, dass die „Dorflogik das Vatikanum II überdauert hat“. Die Kirche agiert in dieser Logik und genau diese Logik ist am Ende. So auch die Kirche. Kurz gesagt plädiert sie für den Aufbruch in die „Stadtlogik“: Selbstbestimmt und frei gewählt. Neue Formen der Community entstehen und die Kirche wird in neuen Bildern sprechen müssen. Nicht mehr die dörfliche Landwirtschaft ist das Paradigma, sondern die urbanen Bilder wie Ökonomie, Filmwelt, Technik, Psychologie, Architektur, Social Media. Es entfacht sich eine Diskussion, was Minderheit und Mehrheit betrifft. Das Gespräch geht zum veröffentlichten Bild von Kirche und Widl meint: Auf Kirche kann man in unserer Kultur nicht wirklich stolz sein, aber auf das Evangelium kann man bauen. Eine Unterscheidung, die bei den Menschen höchste Plausibilität hat und mir sehr sympatisch ist. Seit meinem Assisi-Gehen spreche ich von „jesuanisch geprägter Kirche“ und meine damit als Anker immer das Evangelium. Davon lassen sich die Menschen auch heute noch inspirieren. Selbst führende Wirtschaftstreibende würden sich mehr eine Kirche wünschen, die hier das Evangelium mehr zur Sprache bringt als die Sexualität, „von der sie wenig verstehen und die sie eigentlich nichts angeht“ (Heiner Geißler beim Frühstück in Gmunden).  In jedem Fall sieht der Abt von Lambach, Maximilian Neulinger selbst für sein Stift, das nicht unterwegs ist, eine besondere Aufgabe in der Mission: „Ein besonderes Zeugnis ist die Gastfreundschaft, ein offenes Ohr für jeden.“ Das ist es. Ganz Ohr sein. Oder wie es Sr. Beatrix Mayrhofer von der Vereinigung der Frauenorden Österreichs gleich zu beginn andeutete: Wann sind Christen in der Minderheit? Wo zwei oder drei in meinem Namen versammelt sind, da bin ich schon da. Das ist es ebenso.

Eine Kurzzusammenfassung:
http://www.koo.at/fileadmin/bilder/fachtagung12/PT_Fachtagung2012_kurz.pdf