Worte schaffen Wirklichkeiten. Vom Hören in den Religionen

Am Ostermontag war der Kepler Salon im Akustikon  zu Gast. Ferry Öllinger begrüßte nicht nur die zahlreichen Gäste, sondern umso mehr die Gesprächspartner Peter Androsch und Christoph Freilinger. Das Thema war am Tag des Emmausganges „Hören und Religion. Klang in seiner anthropologischen Dimension“.

Die Stille als wesentlicher Impuls der Kirchenräume

Christoph Freilinger hat gleich zu Beginn eine recht einfache und für unsere Zeit treffende Definition von Religion ins Gespräch gebracht: „Religion ist Unterbrechung“. Das war auch der Grund, warum der Atheist und Musiker Peter Androsch im Rahmen von Linz 09 auf die Kirche zugegangen ist, weil diese Kirchenräume den sonst üblichen und für die menschliche Entwicklung schädlichen Beschallungsteppich unterbrechen. Es wurde über die Architektur gesprochen, die seit Beginn des 20. Jahrhunderts die akustische Dimension komplett verloren hat. Man denke nur an die Kirche von St. Theresia, die architektonisch wunderbar und aktustisch katastrophal ist. Ich selber erinnere mich an den Neubau unseres Pfarrzentrums in Kirchschlag, wo durch meinen Bruder, der in der Umweltabteilung arbeitet, von Beginn an der Akustik eine zentrale Rolle gegeben wurde. Das war für die Architekten irgendwie neu. „Heute lernt jeder zuerst den Umgang mit dem Mikrofon und man glaubt, dass auch ein akustisch schlechter Raum damit bespielt werden kann“, meint der Musikexperte Androsch.  Alle technischen Wunderwerke können einen aktustisch kaputten Raum nicht reparieren. Was kann der wesentliche Impuls heute von den Religionen sein? – war meine Frage. „Es geht heute um die Stille“, ist Androsch überzeugt. Diese Stille aushalten ist für die meisten Menschen fast unmöglich. „Gehen sie nach einem Kaufhausbesuch in eine Kirche“, lädt Freilinger ein. Das ist eine echte Herausforderung. Diese Unterbrechung ist heute der Dienst, der Impuls der Kirchenräume.

Worte schaffen Wirklichkeit – nur welche?

Schon der Johannesprolog im Evangelium setzt beim Wort an, das Fleisch werden kann. Freilinger gibt dazu ein Bild vom Dom in Würzburg in die Runde. Am Bild ist oben Gott Vater zu sehen, der von seinem Mund aus mit einem Rohr mit dem Ohr von Maria unten verbunden ist. Durch dieses Rohr ist das göttliche Wort, der Same zu Maria gekommen. Dieses Wort hat Wirklichkeit geschaffen. In Anlehnung daran wird von der Erfahrung gesprochen, dass eben Worte aufbauen oder zerstören können. Das Wort ist für die christliche Religion ganz wesentlich. Dieser Bedeutungsraum wird in einem akustischen Ereignis grundgelegt. Der Mensch hört die Worte, die gesprochen werden und konstruiert dazu seine Wirklichkeit. Ich selber denke immer wieder daran, wie viele Worte in der Liturgie gemacht werden, die aber keinerlei begeisternden Unterton haben. Einfach heruntergelesen. Da bekommt alles eine so große Schwere, dass selbst das Halleluja keine befreite und erlöste Wirklichkeit vermittelt. Das ist meiner Meinung nach das große Manko der Kirche, dass Religion einen Klangkörper der Schwere und Ent-Mündigung ausstrahlt. Noch schwerer wiegt die Tatsache, dass in vielen Familien der „religiöse Klangkörper“ überhaupt verloren gegangen ist….

Es war ein Abend voller Anregungen und zum Weiterdenken.