Zwei Katzen und das Sterben

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St. Judith Tappeiner (links)

„The very first time.“ Zum allerersten Mal war ich am Donnerstag in der „CS Rennweg„. Es wurde mir verziehen, dass ich erst nach fast drei Jahren in Wien in das Haus gekommen bin. Ich habe schon so viel Gutes gehört und auch berichtet. Die CS Schwestern werden manchmal als die „bessere Caritas“ bezeichnet. Caritas Socialis heißt die Gemeinschaft der Ordensfrauen, die sich der Begleitung von Menschen jeden Alters verschrieben hat. Sie waren die ersten in Österreich, die eine stationäre Einrichtung für Sterbende eingerichtet haben. 20 Jahre sind seither vergangen. Diese Ordensfrauen sind „in der Tat vorausgegangen“. Ich komme in das Haus und ich spüre auf Anhieb, „hier haben sich Liebe, Empathie und Professionalität mit einem tiefen Engagement verknüpft“. Sr. Judith Tappeiner kommt mir strahlend entgegen, obwohl heute wegen des Geburtstagsfestes alles „anders“ ist. An ihr wird diese ruhig strahlende innere Freude sichtbar, spürbar. Wir kennen einander und doch bin ich erstmals in „ihrem Haus“.

Zwei Katzen in der Palliativstation

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Mosaik in der Kapelle

Es gäbe so viel zu schauen, anzuschauen, wahrzunehmen. Die Kapelle mit einem wunderbaren großen Mosaik. Jeder Stein ein Individuum an seinem Platz in seiner Farbe. Wir gehen hinüber in die Palliativstation. Am Weg dorthin höre ich staunend zu, was in diesem Haus alles gemacht wird. Wenn es um das Sterben geht, dann sind die CS-Schwestern immer gefragt worden. Sie haben sich mit dieser Grenzerfahrung des Menschen seit langem ehrlich und ungeschminkt auseinandergesetzt. Sie haben den Tod in das Leben hereingenommen, wo ihn andere hinausgeschwiegen haben. „Wer im Sterben so begleitet wird wie hier, der denkt nie mehr an Sterbehilfe.“ Jede und jeder, der mir begegnet, trägt ein Lächeln im Gesicht. Es geht um die Begleitung von Sterbenden und diese Menschen schauen „glücklich“ aus. Ich durfte selber schon beim Sterben lieber Menschen dabei sein und habe diese Situation als „nährend“ erlebt. Der bekannte Linzer Strafrechtsprofessor Alois Birklbauer hat mir persönlich einmal erzählt, dass er einen Vortrag vor 500 PalliativärztInnen und -pflegerInnen in der Hofburg gehalten hat. 999_zi1_IMG_8177„Ich hätte damals im Vorfeld geglaubt, dass ich vor traurigen Menschen reden werde. Das Gegenteil: Es war das fröhlichste Auditorium das ich je hatte.“ Sr. Judith zeigt mir das Zimmer zum Abschied nehmen. Schöne Bilder an der Wand. Rundherum Sitzgelegenheiten für die Angehörigen. Utensilien, die das „Hinübergehen“ erleichtern können. Eine Gitarre ist von einem Sterbenden zurückgeblieben. Von ihr begleitet haben die Angehörigen den Sterbenden „hinübergespielt“. Und sie erzählt mehrere solcher Beispiele. Da kommt eine Katze in den Raum. Meine Augen gehen weit auf. „Ja, wir haben zwei Katzen hier auf der Station.“ Sr. Judith geht mit mir in den Gemeinschaftsraum der MitarbeiterInnen und dort liegt die zweite Katze und schläft. Sie gehören zum „Team“.  999_zi2_IMG_8178Und dann erzählt sie, dass eine Katze die Angehörigen tröstet und die andere den Sterbenden. „Immer dann, wenn sich die eine Katze lange zum Sterbenden legt, dann zeigt es, dass es bald soweit ist.“ Wir wissen die Geschichten, dass Vögel ans Fenster, dass Hyänen in Tansania in die Nähe des Ortes kommen, wenn jemand sterben wird. Es berührt mich, dass diese zwei Katzen hier mithelfen, das Hinübergehen anzudeuten und zu erleichtern. Wer hier ist, ist in guten Händen.