Allein sein und Der einsame Mensch

perner1Alle Stühle in der Buchhandlung in der Mariahilferstraße sind besetzt. Ich nehme mir Zeit, bei der Buchpräsentation mit Rotraud Perner dabei zu sein. „Der einsame Mensch“ steht auf dem blauen Umschlag. Sie war Gesprächspartnerin bei unserer Video-Reihe „viel mehr wesentlich weniger“. Dort hat sie von ihrem neuen Buch schon gesprochen. Und davon: Die ehelose Lebensform ist psychologisch betrachtet gut – ja sogar einfach – zu leben. Das können sich allerdings heute viele nicht vorstellen. Das monastische Leben hat sie in der Präsentation nicht angesprochen. Aber wir reden nachher kurz darüber.

Allein sein und das Gefühl der Einsamkeit

perner2„Alleine sein ist nicht das gleiche wie Einsamkeit, das Gefühl von Einsamkeit. Wir sind eigentlich nie alleine, weil wir immer umgeben sind. Wir bauen aber Barrieren auf und so entsteht das Gefühl der Einsamkeit, weil keine Energie mit und aus der Umgebung fließen kann. Wir brauchen immer einen Energieaustausch.“ In ihrer Buchvorstellung spricht sie ausführlich von den lebendigen Brücken zu den mich umgebenden Menschen, Tieren und Gegenständen. Und sie gesteht: „Ich schlafe mit meiner Geliebten, der Bibliothek.“ Da fließt Energie. Bücher nähren sie ungemein. Perner spricht davon, dass wir heute durch die digitalen Medien „entpersonalisiert“ werden. Das ist die Gefahr. Medien und digitale Verknüpfungen geben uns den „Anschein“, dass wir nicht alleine sind. Aber es fließt keine Energie für die Seele – im digitalen Raum. Mein jahrelang locker ausgesprochener Satz: „Digital ist kalt. Verkühlungsgefahr.“ – ist auf einmal berechtigt da. Perner spricht auch davon, dass wir heute zu viel auf Paarbeziehungen fokussiert sind. Da bleibt viel Leben daneben liegen. Siehe Bibliothek. Schon als Kinder wird uns ausgetrieben, alleine sein zu können. Es ist ein Segen, wenn ein/e Zweijährige/r alleine spielen kann, verrückte Dinge macht, dabei schmutzig wird, einfach kreativ sein darf. Eltern machen heute zwei Fehler: Sie halten die Kinder ab („Da wirst du nur schmutzig“) oder sie bewerten. „Kreativität braucht das Alleinsein, die Ungestörtheit, im Flow bleiben dürfen.“ Sie spricht in diesem Zusammenhang von der Einsamkeit der Genies. Ein Art Schlusssatz bei der Präsentation war für mich: „Es geht um den Energiefluss und Achtsamkeit braucht Zeit.“

Der betende Mensch

Im Gespräch wurden noch einige Aspekte ergänzt. „Warum sind betende Menschen gesünder?“ Perner: „Weil sie bewusst aussteigen und Energie aus einer ganz anderen Welt nehmen (können).“ Wenn dieser Energiefluss fließt, dann besteht am wenigsten die Gelegenheit, dass sich das Gefühl der Einsamkeit breit macht. Der beste Mitstreiter für das Gefühl der Einsamkeit ist die „Opfer-Rolle“. Wer das Gefühl der Einsamkeit spürt, sollte in die Gestalter-Rolle wechseln: Was kann ich tun, ändern, gestalten? „Wie kann ich das Gefühl verändern?“ Das ist ein Lernvorgang. Diese Gefühle kann ich lernen. Außerdem empfiehlt sie etwas Ähnliches wie ich mit #ganzOhr erlebe. Wer neugierig ist und auf Menschen zugeht, wird sehr spannende Dinge erleben. Warum? „Jeder Mensch ist eine gefährliche Gelegenheit oder eine gelegentliche Gefährdung.“ Das Leben bleibt spannend. Denn der Satz gilt für betende Menschen auch für Gott. Das Buch ist auch eine Gelegenheit, gut alleine sein zu können.