Am Spielfeld oder im Eck

Franz Haidinger linksDas, was in Köln in einem der kirchlichen Krankenhäuser mit der Abweisung einer vergewaltigten Frau passiert ist, zieht jetzt durch alle deutschen Medien. Die kirchlichen Hierarchen und die dazugehörigen Sprecher besänftigen. Der Kardinal hält die Pille danach überraschend für eine Methode. Dann stellt sich durch Experten heraus, dass es diese Pille gar nicht gibt. Dafür hat die deutsche Bischofskonferenz einen „Beratungspunkt“ für die nächste Sitzung. Mit so einem Verhalten manövriert man sich in jene Ecke, in der das Gesetz über der Menschlichkeit und Nächstenhilfe hängt.

Lawinenopfer und die Bergretter

Dieser Tage habe ich einen Beitrag über einen Bergretter in Tirol gesehen. Lawinenabgang durch ein Fehlverhalten ausgelöst. Vier Verschüttete. Schlechtes Wetter ist aufgezogen. Der Reporter fragt den Bergführer als Bergretter: „Fragen sie sich nicht manchmal, wer Schuld ist an diesem Lawinenabgang, bevor sie hinaufgehen?“. Der Bergretter antwortet ohne eine Zehntelsekunde dazwischen zu lassen: „Wir sind hier um zu helfen und nicht zu urteilen. Ich muss jetzt gehen.“ Freilich kann ich mir vorstellen, dass den Bergführer beim Hinaufsteigen und beim Suchen der Lawienenopfer Gedanken durch den Kopf gehen, die ihn eher in der warmen Stube sitzen lassen als hier im Sauwetter nach Verschütten zu suchen. Ohne die Garantie auf „Erfolg“ gefährden diese Helfer ihr Leben, um andere zu retten. Wer hat Schuld, ist nicht die Frage. Jede Hilfe ist recht, um Menschen zu retten.

Gesetzestafeln oder Hilfsgeräte

Das vermisse bei Verantwortungsträgern ganz  „oben“: Dass sie diese Menschen zumindest anspornen in ihrem Eifer und Durchhaltevermögen beim Helfen. Nein, Gesetzestafeln werden diskutiert und Absperrungen analysiert. Gewisse Hilfsmethoden werden in Frage gestellt und einiges an Lawinengelände wird mit dem Schild „katholischen Helfern betreten verboten“ ausgeschildert. Dass hier bei MitarbeiterInnen Unsicherheit und ein dumpfes Gefühl der Angst, etwas falsch machen zu können, aufsteigt, ist nicht verwunderlich. Lieber abweisen als sich ins Dilemma der persönlichen Gewissensentscheidung zu bringen, die von „oben“ gar nicht gerne gesehen wird. Was ist die Situation? Von den ängstlichen Moralaposteln wird entweder ein Teil das Katastrophengeländes „versperrt“ oder man gibt ihnen nicht das ganz „mögliche Hilfsgerät“ mit. So macht man sie zu hilflosen Helfern, die in der Ecke stehen (müssen).

Am Spielfeld bleiben

OrdensspitalBeim Tag des geweihten Lebens in Linz hat Bischofsvikar Franz Haidinger, der mir damals 1975 als Jugendseelsorger die Idee mit dem Theologiestudium ins Ohr gesetzt, die Konzilstexte hervorgeholt und betont: Zeitgemäßer Erneuerung ist eine Rückkehr zu den Quellen und nicht zu den Regeln. Er sprach von der „Anpassung“ an veränderte Zeitverhältnisse. Ständige Erneuerung geschehe durch schöpferisches Hinhören auf die Impulse des Heiligen Geistes. Zu bedenken ist, dass wir zur Nachfolge berufen sind und nicht zur Nachahmung. Ich denke an Peter Gruber von der KSÖ, der 1978 gemeint hat: Christ wird man nicht im Kopierer (oder so ähnlich). Haidinger spricht davon, dass kompetente Menschen von heute die Orden und alle christlichen Gemeinschaften inspirieren könnten. Also: Hinaus aufs Spielfeld (und in den Lawinenhang) zu den Menschen und unter den Menschen das entdecken, was wir bei Jesus sehen und spüren: Die Menschen werden Glut und Feuer finden, Jesu Botschaft ist unverbraucht. Gerade in den Spitälern und sozialen Werken der Orden kommt es auf die Freilegung der Quellen an, die Hilfe und Unterstützung an die erste Stelle stellen. Gerade im heutigen Krankenhauswesen ist vieles „genormt und ohne viel Spielraum“. Die Ordensgemeinschaften haben sich den Slogan vorangestellt: „Freiraum für Gott und die Welt“. Wo dieser Freiraum geschaffen wird, kann der Mensch wieder atmen, taucht er auf aus der Lawine oder bekommt eine medizinische Versorgung auch ohne E-Card.  Die Refugees in der Votivkirche werden still und leise von den Barmherzigen Brüdern behandelt.
Ich bin mir 100%ig sicher:  Die Zugänge zu den Hilfen der Ordensspitäler werden barrierefrei bleiben, das persönliche Gewissen wird an oberster Stelle stehen, persönliche Verantwortung wahrgenommen werden und ein situativ entwickelter Ethikkodex wird als „Handlauf“ dienen. Dieser Tage hörte ich: Lieber von oben eine auf den Deckel bekommen, als die Hände für die Hilfe zurückziehen.