Danke 2020

Die Spitzmauer in HinterstoderDas Jahr geht zu Ende. Die Schier sind in den Stall gestellt. Es bleibt Zeit zum Bloggen direkt an der Jahres-Schwelle, weil uns der Lockdown daheim hält. Keine Gäste, keine Kracher, keine persönlichen Begegnungen außer Haus am Übergang. Die Uhr geht weiter ohne TamTam. Der Mensch allerdings braucht Rhythmus und Rituale, Innehalten und Exstase, das Zurückschauen und das Voraus-Hoffen. Heuer scheint das anders.

Das Jahr 2020 erscheint mir manchmal so wie eine aufgewühlte Schlammsuppe. Als Kinder sind wir immer wieder zum Teich hinuntergegangen und haben mit Stangen darin „umgerührt“. Das Wasser war bis zu unserem Kommen sauber und durchsichtig. Alles klar. Nach unseren Spielereien war das ganz anders. Eine einzige Schlammsuppe. Ich bin mir nicht sicher, ob sich das alle vorstellen können, die diese Zeilen lesen. Es war ein ehrlicher Naturteich ohne Folie.  Karpfen und Frösche in großer Zahl und Insekten in einer Vielfalt, wie wir sie heute nicht mehr kennen. So kommt mir das vergangene Jahr in den Sinn, wenn ich in den Rückspiegel schaue. Ein Virus hat umgerührt. Nicht oberflächlich, dort oder da. Nein, der ganze Teich wurde umgerührt. Sedimente und abgesetzter Schlamm kamen damit in Bewegung. War bis März noch alles klar, so bewegen wir uns heute irgendwie im Trüben. Im Sommer hatten wir den Eindruck, als ob sich alles wieder „setzen“ wollte. Ab Spätsommer war das wieder ganz anders. Der Teich wurde heftiger umgerührt als im Frühjahr.  „Auf Sicht“ hat es wieder geheißen: runter, langsamer, zusperren. Lockdown zwei und drei. In diesem Schla(m)massel befinden wir uns heute. Die von mir schon vor Jahren immer wieder in Gespräche eingebrachte zentrale Frage unserer Gesellschaft und Zukunft ist aktueller denn je: Wie geht Reduktion?

Eingeschränktheit und Abgesagt-Zeit

Im Voraus-Hoffen spüren wir, dass dieses „Umrührern“ durch die Viren durch eine Impfung und wirksame Medikamente  bald ein Ende haben wird, die Stangen zum Rühren und Hauen weggenommen werden. Es werden damit die Lebewesen nicht mehr so viel sterben, nicht mehr intensiv erkranken oder „angeschlagen“ werden. Der Teich wird sich wieder beruhigen. Die Sicht wird klarer.  Wir werden einander wieder sehen, einander berühren, uns gegenseitig Hilfe und Orientierung sein. Mögen wir dann in diese neue Freiheit unsere Erfahrungen mitnehmen, die wir im Trüben, im oftmaligen Allein-Sein mühsam durchschritten haben. Dafür ein erstes Danke 2020. Mir persönlich wurde  existentiell klarer, dass ein Weniger mich mehr zum Wesentlichen führt, dass die Zeit, die Stunden und die Tage sich mit neuen Prioritäten wie Familie, Enkelkinder und wenigen Freunden neu füllen konnte. Auch wenn das Geschäftliche sich nicht in der gewohnten und geplanten Art entfalten konnte, so hat überraschend Neues, Anderes Platz genommen. Ich bin in dieser Eingeschränktheit und in der „Abgesagt-Zeit“ an Menschen und Projekte im Trüben angestoßen, die ausserhalb meines Radars waren oder nicht in dieser Intensität. Als Beispiele nenne ich Weltanschauen, die IG-Milchbauern, Spiri#Walks, auf vielfältige Weise (s19) den Bildungsbereich, Pastoralinnovation oder ehrenamtlich St. Markus und Bürgerinitiative.  Neue Synapsen und Verbündungen sind hier gewachsen.

Kontakte und Erzählen

Mein Anpacken-Buch hat sich für die Fertigstellung, die Produktion und Präsentation ebenfalls keine optimale Zeit ausgesucht. Kurzarbeit im Verlag im Sommer, Lesungen aus und Vorträge zum Buch, Seminare und Workshops zum DREIRAUMMODELL im Herbst sind im aufgewühlten Teich verloren gegangen. Nahrung für die Seele waren die Rückmeldungen von Leserinnen und Lesern. Sie haben das Buch als Ermutigung und Orientierung erlebt. So war und ist es auch gedacht. Gerade beim Schreiben wurde mir immer klarer, dass es so viele ermutigende Menschen gibt, Pionierinnen und Pioniere in Richtung einer sozial-ökologisch-spirituellen Zukunft. Von 70 solchen Menschen erzähle ich mehr oder weniger. Und besonders freue ich mich, wenn haptische Begegnungen wieder möglich werden. Dann möchte ich zusammen mit dem Buch meine Stärke, die Kontaktfreude, die Erzählfreude wieder öfter erleben. Und wenn dann wie versprochen Mitte des kommenden Jahres das 123-Ticket österreichweit „fährt“, muss ich nicht alles zu Fuß gehen. #smily

Ein Haufen Segen und ein Witz

Das Jahr 2020 möchte ich nicht einfach wegwerfen, vergessen oder gar verdammen, wie es einige auf Social Media vorschlagen. Es hat Unklarheiten, ja Bedrohungen und besondere Herausforderung in die Mitte gestellt, dazu aber genauso neue Nähe angeregt und den Vertrauens-Brunnen offener gemacht. Selbstverständlichkeiten sind welk geworden, dafür haben kleine Pflanzen den Virus-Asphalt durchstoßen. Das Erlebnis-Panorama dieses Jahres hat für mich eine fast nicht aushaltbare Spannung. Das geht vom Sterben meines jüngeres Bruders und anderer lieber Menschen, vom eigenen tiefen Krank-Sein (nicht Covid) im Frühjahr über das doch mögliche Weltanschauen am Barbaraweg in der Slowakei oder der Intensiv_Zeit am Lechweg bis hin zur Geburt meines Buches, der neu aufgeflammten Gartenliebe und einem intensiven Opa-Dasein. Ganz ehrlich: Ich bin dem Jahr 2020 dankbar. Es hat uns gefordert und hoffentlich auch gefördert. Mögen wir 2021 über einen großen Haufen Segen wandern, getragen von der großen Liebe jenes Geheimnisses, das vor, hinter, unter, über und in uns liegt. #Gott

Außerdem ist da noch ein Witz in meinem Kopf, den ich vor längerer Zeit gehört habe:
Wie können sich Viren untereinander besonders ärgern? Indem sie sich Impfwörter zuwerfen.