Der 4.087ste Aufguss, Applaus und unendlich leben

Draußen Schnee – in der Blockhütte der Therme wurde eingeheizt. Mehr als 50 Personen warten auf den Saunameister. Mit „Alle gut drauf?“ betritt er die gut gewärmte Hütte. Stille. Kein Scherz. „Wird schon gut gehen, der 4.087ste Aufguss“, sagt er in die nackte Runde, die im Dunkeln sitzt.

Heiße Diskussionen

Ich erinnere mich an die regelmäßigen Sauna-Besuche im Hummelhofbad an meinen freien Montagen vor etwa 20 Jahren. Da wurde schon vor der Saunatür heiß diskutiert und die Gesellschaft bemessen, beurteilt und in jedem Fall verbessert. Damals hatte ich das Gefühl, mit der Schattenregierung Österreichs zu schwitzen. Kein Minister wurde ausgelassen und das Gesellschaftskonzept wurde in der heißen Luft ausgearbeitet. Manchmal hatte ich den Eindruck, dass der Saunaofen kalt bleiben könnte und die Schweißperlen schon durch das Engagement in den verbalen Auseinandersetzungen in Gang kämen. Das die obligaten Witze in der heißesten Phase auch noch kommen mussten, kannte ich vom  Amen im Gebet. Der Saunaaufguss ohne die derben Witze wäre halb so heilsam gewesen. Dann ging die Tür auf und alles war heraus: Schweiß, die Rettung Österreichs ist gelungen und eindeutig-zweideutige Phantasien haben ihren Raum gehabt.

Abgekühlte Saunawelt

Und heute? Stille in der Sauna, von Anfang bis zum Schluss. Keine Gespräche und keine Witze. Irgendwie habe ich den Eindruck, mit jeder Schweißperle fließt ein Stück Erschöpfung aus. Jeder und jede öffnet sich für sich. Die Seelen sind müde. Die Rettung der Welt wird nicht mehr gelingen. In der ganzen Thermenlandschaft höre ich  keine diesbezüglichen Gespräche. Die meisten Menschen leben als Hamster im Rad und steigen hier aus. „Einfach da sein“ liegt heute in der Luft. Ruhe, Entspannung und das Leben draußen soll auch ganz draußen bleiben. Und so heizt heute nur der Saunaofen. Der Saunameister hat die Devise ausgegeben, dass wir überleben werden. Am Ende wird er für diese Ermutigung auch mit  Applaus bedankt. Es ist gut gegangen – in aller Ruhe. Auch ich bin diesmal alleine unterwegs. Irgendwie fehlt mir etwas und doch auch wieder nicht.

Kein Applaus um 18 Uhr

Schon am Nachmittag liege ich mit dem Buch „Endlich Unendlich“ auf meiner Liege. Wie weit kann die Genetik das Altern „zurückschieben“ und wie weit sind nicht Gene, sondern Umwelteinflüsse auf den Menschen entscheidend. Ich weiß, dass diese Zeile zu einem ganzen Buch zu wenig ist. Der Autor Markus Hengstschläger wird es verzeihen, weil damit der Wunsch, es zu kaufen und ganz zu lesen, vielleicht wachgerüttelt wird. Mein zweites Auge verliert sich aber immer öfter hinein in die Baugrube, die gleich nebenan von etwa 10 Männern bei Regen und Schneetreiben „bearbeitet“ wird. Ich im Warmen, in Gedanken zwischen Unendlichkeit und der Endlichkeit und sie bei Minusgraden im nassen kalten Wetter bei der Arbeit. Ob das ihre Lebenserwartung schmälert? In jedem Fall legen sie die Basis dafür, dass ein Saunameister in naher Zukunft den schwitzenden Seelen zurufen kann: Es ist gut gegangen. Er wird wieder Applaus ernten. Und ich bleibe mit der Frage und bei meinem Buch hängen: Wer applaudiert den 10 Männern, die bei diesem kalten Sauwetter am Samstag die Basis für heiße Luft legen?