Der außen geleitete Charakter des Radarmenschen

3_PuppingIMG_5260Der Sonntag ist Unterbrechung. Wohltuend. In Wien wollen Kaufleute von diesem menschlichen Grundbedürfnis wieder einmal nichts wissen. Aufsperren. Tempo rein. Geldbörse raus. Konsum steigern. Weiterhecheln nach den wichtigen außen liegenden Produkten. Ja nicht unterbrechen, ja nicht bremsen. Oder gar nachdenken, durchatmen. Nicht nur individuell, sondern als Gemeinwesen, als ganzer gesellschaftlicher Körper. Der Sonntag ist für den Menschen da, nicht umgekehrt.

Tausende Spieglungen 

2_PuppingIMG_5260Der Sonntag hat bei mir auch ein ganz anderes mediales Verhalten. Ein große Hilfe ist mir dabei die Presse am Sonntag. Sie kommt als Zeitung. Jeden Sonntag. Danke dem Austräger oder Austrägerin an dieser Stelle. Ich sehe ihn oder sie nie, weil der Sonntag später anspringt als die anderen Tage. Heut auf der letzten Seite das Interview mit dem Soziologen Heinz Bude. Er schreibt, dass der Mensch heute (das Ich) sich aus tausenden Spiegelung von außen gewinnen muss. Da ist immer der Blick auf den anderen. Er verweist auf den amerikanischen Soziologen Riesmann, der vom „außen geleiteten Charakter“ spricht. Bude: „Man kann das auch den Radarmenschen nennen. Der steuert sein Leben von den Erwartungen und den Erwartungserwartungen der anderen her. Alle sind wahnsinnig empathisch begabt. Alle gucken: Welche Reaktionen folgen und wie kann ich notfalls gleich wieder weg.“ Das erinnert mich an David Bosshart bei unserem Ordenstag 2015 in Wien. Meine Zusammenfassung habe ich für die ON Ordensnachrichten getitelt: „Der Mensch und sein Gerät“. Wir haben gelernt und dieses Lernen nimmt kein Ende sondern den Turbo, von außen her zu leben. Werbung, Medien, Geräte, Fernsehen wollen uns das Leben „beibringen“, uns sagen, was gerade cool ist und was mein Leben gerade braucht. Wir haben gelernt, auf dieses „Außen“ zu reagieren. Und Advent? Wohin geht die Erwartung? Nach Außen?

In dir

1_PuppingIMG_5260Heute hatte ich die Gelegenheit, im Shalom-Kloster der Franziskaner in Pupping Gaudete zu feiern. Die Kirche war voll und nachher war die Klosterpforte offen. „Fritz ist in der Küche. Gehe einfach rein.“ So höre ich es von einem franziskanischen Mitbruder vor der Kirche, der sich angeregt mit den Menschen unterhält. Ich suche Br. Fritz. Sieben Frauen und Männer sitzen bei Kaffee und Brot am Tisch und unterhalten sich. „Komm, setz dich her.“ Auf ihrem Folder habe ich außen gelesen: „Komm und sieh“. Sehr kongruent. In diesem Kloster leben Brüder, Schwestern und Laien unter einem Dach. In der nächsten Woche werden noch Flüchtlinge dazukommen. Bruder Fritz: „Wir werden sehen, wie wir zurecht kommen. Unser Kloster ist offen. Auch andere Gäste haben sich für Weihnachten angesagt.“ Ich habe das Gefühl, dass hier eine andere Richtung gelebt wird: Von innen her. Ruhig. Gelassen. Getragen.

Humor von innen

Die Predigt heute war froh, freudig – eben gaudete. Der Mitbruder hat alle in der Kirche sich gegenseitig zulächeln lassen. „Probiert es einfach einmal.“ Und die Menschen haben mitgemacht. Es war kein Lachen, aber ein Lächeln. So werden innen drinnen im Menschen Schwingungen ausgelöst, die frei machen. gibmirIch höre in mir meinen zentralen Satz für meinen Advent 2014 aus dem Gebet des hl. Franziskus, das mir auf meinem Weg nach Assisi begegnet ist. Der letzte Satz des Gebetes lautet: „Gib mir Herr das Empfinden und Erkennen, damit ich deinen heiligen Auftrag erfülle, den du mir in Wahrheit gegeben.“ Also: Radar ausfahren nach innen und daraus den persönlichen Charakter, das persönliche Leben entwickeln lernen. Das vertreibt die Angst vor dem Außen. Das ermöglicht Humor. Bude meint über unsere Zeit im Interview: „Das einzige Mittel gegen die existentielle Angst ist das gemeinsame Lachen.“ Er schreibt aber weiter, dass wir nicht mehr lachen können: „Selbst das Lachen ist kontrollierte geworden. Wir leben in einer Welt des Lächelns, nicht des Lachens.“ David Bosshart auch mit dem Satz geschlossen: „Es braucht Humor.“ Befreiendes Lachen kommt von innen heraus. Der Spiegel liegt nämlich innen. Nicht außen.