Der Brennpunkt Zweifel

„Wenn das so einfach wäre, mit dem Glauben“, hörte ich heute mehrmals in der Predigt von P. Gottfried in der Franziskanerkirche in Wien. Es war keinerlei „frustrierter Unterton“ dabei, sondern ein recht klarer Blick auf viele Vorgänge in unserer Gesellschaft und manche Situation in der Kirche. Der Auslöser für die Überlegungen war das Evangelium vom „ungläubigen Thomas“. Die Bezeichnung ungläubig irritiert mich schon lange. Er hat seinen Zweifel geäußert: „Wenn ich nicht mit eigenen Augen sehen und mit meinen Händen nicht begreifen kann, dann ist es mir unmöglich zu glauben.“ Er will sich selber ein Urteil bilden davon, woran er sein Herz hängen möchte nach den irdischen Erfahrungen mit Jesus. Er will keiner Einbildung aufsitzen und das für Wahr-und-wichtig-halten der Aussagen seiner Freunde Apostelkollegen war ihm nicht möglich. So wurde er der „ungläubige“. In der Katechese bekam diese „Zuschreibung“ eine besondere „moralische Färbung“. Es kommen Erinnerungen an den eigenen Religionsunterricht: Thomas ist Zweifel ist schlecht. Hätte Thomas aber keinen Zweifel geäußert, wäre das zweite Testament nicht nur eine Geschichte ärmer, sondern Jesus hätte sich als Auferstandener nicht in der Intensität dem Zweifler zugewandt.

Die Ellipse von Glaube und Zweifel

Die FurcheIch muss gestehen, dass ich während der Predigt mit meinem Gedanken der Ellipse nebenbei beschäftigt war. Das Bild von der Ellipse, den beiden Brennpunkten, den Konstruktionsschritten, der händischen Fertigstellung der Kurve dient mir schon über Jahre als Grundparadigma zum Lebensverständnis. Es ist nicht ein Punkt, um den sich das Leben entfaltet, konstruiert. Es sind immer zwei Brennpunkte: Frau – Mann, Eltern – Kind, rechter Fuß – linker Fuß, Vergangenheit – Zukunft, Gott – Mensch, einatmen – ausatmen, stehen – gehen. Das kann ich fast unendlich fortführen bis hin zum Glauben – Zweifel. Je fester du im Glauben wirst, umso mehr meldet sich natürlicher Weise der Zweifel. Viele Heilige geben davon bis zu ihrem Lebensende ein glaubwürdiges Zeugnis. Je mehr dich der Zweifel erfasst, desto größer wird die Sehnsucht, die Zirkelspitze zum Brennpunkt Glauben zu führen. In der Predigt wurde doch etwas pauschal die Wissenschaft als „gottlos“ dargestellt. Es stimmt auch, dass viele Wissenschaftler die Wissenschaft als geschlossenes System sehen und betreiben. Im persönlichen Gespräch mit Anton Zeilinger durfte ich einmal länger über die Quantenphysik und den Glauben reden. Seine Sicht, die er oft auch medial darstellt, ist doch auch, dass die wissenschaftlichen Annahmen, die Zufälle nahe legen, von Glauben zu reden. Auch dort bewegt sich die Welt auf der Brennpunktlinie Zweifel und Glaube. Ich bin froh, dass Thomas den Zweifel so stark und intensiv „herausgelassen“ hat, weil er so in der unmittelbaren Jesus-Begegnung mit dem Glauben beschenkt wurde. Ein anderer hat einmal gesagt: Glauben und Zweifel sind Geschwister. Oder wie zwei Brennpunkte. Konstruiere.

Der Schlägler Jakob Eckerstorfer OPräm sieht das am Weißen Sonntag als Lebenstrott (aus Facebook):

EINSicht
ZWEIfel
EINSicht
ZWEIfel
EINSicht
ZWEIfel

doch plötzlich Begegnung:
DREIfaltiger!