Der Dynamik von Ostern nachgehen

Der Frühling lässt aufblühen. Die Karwoche und das Osterfest wird von den Medien zum Großteil gut „mitgetragen“, sie erzählen von den Ritualen und Bräuchen, erklären und stellen Fragen, die nach Antworten suchen. Vor Ostern wurde ich von den SN und dem Kurier zum Interview gebeten. Hier die Fragen und Antworten dazu.

Salzburger Nachrichten (SN) vom 8. April 2023: Sie sind Präsident der Katholischen Aktion und Großvater. Wie würden Sie Ostern ihren Enkeln erklären?

Kaineder: Es hat eine Person gegeben, die hat Jesus von Nazareth geheißen. Er hat den Menschen unglaublich viel geholfen. Zuerst haben sie ihn dafür bejubelt, das war am Palmsonntag. Aber er hat nicht allen Leuten gepasst. Jesus hat geahnt, was kommt, und deshalb im Gespräch mit seinen Freunden und Freundinnen ein Testament hinterlassen. Und dann ist es geschehen, dass sie Jesus von Nazareth getötet haben. Das Besondere daran ist, dass der gestorbene Jesus nach drei Tagen wieder zum Leben erweckt wurde.

SN: Was sagt uns das heute?

Kaineder: Das ist die Dynamik von Ostern: Erst bejubeln sie Jesus, dann wird er kritisiert. Er gibt sein Leben und ermöglicht damit das, was wir Auferstehung nennen. Deshalb spielt bei den Ritualen zu Ostern auch die Natur so eine Rolle – etwa die Palmzweige. Beides gibt mir als Christ Hoffnung. Das Sterben ist nicht tragisch, sondern ein Heimgehen. Es ist ein Abschied, aber auch eine Geburt. Wie in der Natur, wo auch manches stirbt, aber dann wieder neu zum Leben erwacht.

SN: Ist das der Trost von Ostern?

Ja. Es beweist, dass nichts umsonst ist. Das zeigt auch die Jesusgeschichte. Kein Einsatz, der in Liebe und Empathie erfolgt, ist umsonst, sondern die Früchte gehen auf. Als Oberösterreicher bin ich ein besonderer Bewunderer von Franz und Franziska Jägerstätter. Es war dramatisch, was da passiert ist. Aber die Frucht dessen, was da nach Tod aussieht, ist die bis heute lebendige Erinnerung, dass wir nicht gegen unser Gewissen handeln können.

SN: Bemerken Sie auch, dass im Zusammenhang mit der Kirche sehr wenig über den Glauben und sehr viel über Kirchenpolitik gesprochen wird?

Kaineder: Es ist nicht hilfreich, dass so viel über die Körpergestalt der Kirche geredet wird, und dennoch: Wir müssen darüber diskutieren. Denn die institutionelle Verfasstheit der Kirche bleibt hinter dem zurück, was der Anspruch Jesu war. Das zeigt sich zum Beispiel daran, dass Frauen nicht die gleichen Zugangsmöglichkeiten zu liturgischen und anderen Leitungsaufgaben haben wie Männer. Oder am Umgang mit Menschen mit anderer sexueller Orientierung. Darüber sollten wir sprechen. Aber es sollte das andere – den Glauben – nicht überlagern. Die eine Frage, die über allem steht und wonach sich die Menschen sehnen, lautet doch: Wie kommt mehr Liebe in die Welt?

SN: Dafür wird in der Kirche aber recht viel gestritten …

Kaineder: Es wird diskutiert, und es sollte sogar mehr und vor allem öffentlich diskutiert werden. Man muss wegkommen vom Stationären, Sesshaften, Kristallinen. Die Kirche muss sinnbildlich ins Gehen kommen. Jesus ist viel herumgegangen, weil er im Gehen die Dinge und Probleme gesehen und ins Lot gebracht. Weil er im Gehen die Leute getroffen und geheilt hat. Die Sternsingerkinder heute bleiben auch nicht daheim. Sie kennen die Dörfer und die Menschen sicher besser als jemand, der nur am Schreibtisch sitzt.

SN: Ist Papst Franziskus Ihrer Meinung nach ein Gehender?

Kaineder: Gedanklich ganz sicher. Ich erlebe ihn als eine sehr treibende Kraft dafür, dass nicht in den Palästen regiert wird, sondern dass wir als Kirche herumgehen. Ich glaube, das macht ihm das Leben im Vatikan nicht gerade leicht, denn dort ist mehr die Sesshaftigkeit daheim. Aber Franziskus greift die Grundidee des zweiten Vaticanums – das Volk Gottes unterwegs – sehr schön und glaubhaft auf.

SN: Was sollte Ihrer Ansicht nach das erste Ziel des Unterwegsseins sein?

Kaineder: Vor allem die Geschlechtergerechtigkeit. Für die junge Generation ist das wahrscheinlich der entscheidende Grund für das Hinterfragen der Institution Kirche. Und man darf nie vergessen: Die Kirche ist nicht der Bischof. Kirche sind alle Getauften. Ich war in Oberösterreich zehn Jahre lang für eine Pfarre verantwortlich, da hatten hundert Leute einen Schlüssel zum Pfarrzentrum, nicht nur einer, bei dem alle anläuten mussten.

SN: Gibt es eigentlich den typischen Gläubigen?

Kaineder: Nein. Die Kirche ist ein unglaublich vielfältiges Feld. Da ist zunächst die Hierarchie-, also die Bischofskirche. Die ist am meisten bekannt. Daneben gibt es die Ordenskirche, die im Inneren ganz anders tickt. Die Entscheidungen fallen dort in der Gemeinschaft, nicht weil der Bischof etwas will. Synodalität pur! Und dann gibt es so etwas wie die Sozialkirche: Menschen, die sich sozial engagieren und helfen. Dazu zählt auch die Katholische Aktion.

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Die Kathpress schreibt über den Bericht im Kurier vom 8. April 2023:

Für mehr Vertrauen in die kirchliche Basis und eine stärkere Beauftragung von Laien mit gottesdienstlichem Wirken in den Pfarren hat der Präsident der Katholischen Aktion Österreich, (KAÖ), Ferdinand Kaineder, plädiert. Im Gespräch mit der Tageszeitung „Kurier“ (Karsamstagausgabe) sagte Kaineder, „zu Ostern sehen wir immer, welch Ritualbedürfnis die Menschen haben“. Diese Rituale seien für die Menschen „ein unglaublicher Schatz“. Der stärkere Gottesdienstbesuch zu den Hochfesten könne aber nicht über Probleme hinwegtäuschen: „An den Sonntagen tun wir uns da schon schwerer, da erodiert das Ganze schon gewaltig.“ Die alljährlichen Kirchenstatistiken seien das Abbild dieser Entwicklung.

Die Kirche sei zum einen „eine Institution, die in einer amtskirchlichen Darstellung den Leuten präsent ist. Die erleidet gerade einen massiven Relevanz- und Glaubwürdigkeitsverlust. Viele Menschen, nicht nur junge, gehen emotional auf Distanz.“ Die Ursachen dafür würden vom Missbrauch in der Kirche bis hin zur Geschlechtergerechtigkeit reichen. „Da ist momentan fast nichts zu gewinnen“, so der KAÖ-Präsident.

Mehr sei an der Basis möglich. Die Laien bildeten die Basis in den Pfarren, ohne die ein lebendiges kirchliches Leben nicht möglich wäre. „Wo etwas geht, ist dort, wo Menschen das leben, was für uns durch die Bibel zählt. In erster Linie ist das einmal das Helfen. Das ist entscheidend. Das wird an der Basis mehr gelebt, als wir glauben“, stellte Kaineder fest.

Erleichternd wäre, wenn die Bischöfe die Laien auch beauftragen würden, Taufen, Begräbnisse und andere Wortgottesdienste zu übernehmen. In Oberösterreich etwa passiere das bereits. Es gebe auch in den Dörfern die Erfordernis, dass der Bischof „die Beauftragung für Laien – Frauen oder Männer – ausspricht, damit dort auch Rituale lebendig gefeiert werden können“. Die KA werde versuchen, den Blick der Bischöfe verstärkt in diese Richtung zu lenken. Wo diese Beauftragung funktioniert, habe man es mit sehr lebendigen Gemeinden zu tun. Eine weitere Hilfe könnten Gemeinschaftsgebäude wie Pfarrzentren sein, die für viele Menschen zugänglich sind. Dort passiere „alltägliche Lebendigkeit“.

Den von Papst Franziskus initiierten weltweiten Synodalen Prozess sieht Kaineder als große Chance, wenn er in ein neues Kirchenrecht und eine neue Kirchenverfassung mündet. Andernfalls würden sich viele Menschen frustriert von der Kirche abwenden. Die Bischöfe sollten sich daher entsprechend für die Anliegen, die in diesen Beratungen zutage getreten sind, von mehr Beteiligung und Mitverantwortung bis zur Geschlechtergerechtigkeit, einsetzen, so der Wunsch des KAÖ-Präsidenten: „Ich habe den Eindruck, dass sich die Bischöfe in Deutschland mit den Anliegen des synodalen Weges verknüpfen. In Österreich habe ich hingegen den Eindruck, die Bischöfe haben die Themen wahrgenommen, aber es reicht ihnen, dass sie diese nach Rom getragen haben.“