Es wintert im Bergdorf am weißen Sonntag. Der Schnee überzieht alles. Der Frühling scheint darunter zu schlafen, zu warten. Der Sonntagsgottesdienst ist heute eine Wortgottesfeier, vorbereitet und gestaltet von der Kinderliturgie. Kinder, Junge, Familien und Ältere zieht es in guter Zahl in die Kirche zusammen. Eine große nährende und singende Gemeinschaft erinnert sich auch daran, dass heute Barmherzigkeit eine wichtige Rolle spielt.
Das lässt mich nach Hause gehen und das Arbeitsblatt „Werke der Barmherzigkeit“ in die Hand nehmen. Es liegt an verschiedenen Stellen und in verschiedenen Mappen als Schlußpunkt unter oder hinter allem. Beispielsweise: Da liegen in einer Mappe das Statut, die Geschäftsordnung, die Wahlordnung und die Leitlinien der Katholischen Aktion Österreich übereinander. Als letzter Zettel darunter dieses A4-Blatt als Erinnerung: Wenn alles durchstudiert und -gegangen ist, geht es eigentlich darum: Alles „hinrelativieren“ auf diesen Anspruch, bei allen Vorhaben, Projekten, Initiativen, Diskussionen und Sichtweisen.
Entstanden ist das Arbeitsblatt vor Jahren mit und für Firmkandidat:innen. Ein Ausflug in den Linzer Mariendom stand an. Wir standen damals in der Mitte des Domes. Wenn du dich dort stehend Richtung Osten drehst, sehen wir die Friedensrosette, ruhend auf den sieben Werken der Barmherzigkeit. Wenn du dich 180° nach Westen drehst, sehen wir die Kriegsrosette, ruhend auf den sieben Todsünden. Nachdem wir keine 360°-Augen haben, muss man sich zumindest beim Anschauen entscheiden: Hier oder dort. Um eine gute Entscheidung zu treffen, ist uns Geistkraft zugesagt. Sie steht uns sozusagen zur Seite. Am Arbeitsblatt rechts. Pädagogisch und visuell könnte das Arbeitsblatt peppiger sein, würde ich heute zugestehen. Old school, only content.
Und was können die Werke der Barmherzigkeit heute auch bedeuten? Renate und Gertraude haben uns heute bei der sonntäglichen Wortgottesfeier vier davon in der Variante von Bischof Wanke erklärt, vorgestellt, zugänglich gemacht. Und diese „Neuen Werke der Barmherzigkeit“ hängen bei mir an der Bürotür. Bei jedem Hinausgehen kann ich sie, wenn ich achtsam und aufmerksam genug bin, sehen und in den Alltag, bei den nächsten Schritten mitnehmen.
In der Dachrinne draußen höre ich das Wasser. Der Schnee schmilzt so vor sich hin, von den Dächern, auf Wiesen und Feldern, von dem Bäumen. Was wird sich heuer im Frühling zeigen? Wenn ich es genau bedenke, dann ist doch jeder Gottesdienst in gewisser Weise ein Schmelzvorgang dahingehend, dass in unserem Leben die Werke der Barmherzigkeit neu spriesen, ausschlagen, zur Blüte kommen durch unser konkretes Tun. Wir wurden heute in der St. Anna Kirche sehr schön und kräftig daran erinnert. Danke.