Der Intuition folgen und spüren

In Wien steht am Rathausplatz eine unglaublich große Leinwand. Das Filmfestival zieht jeden Tag Leute an, um unterschiedlichste Filme und Fernsehaufzeichnungen zu sehen. Gestern war der Film von Martin Scorsese „Rolling Stones: Shine a Light“ zu sehen. Der Platz war übervoll. Absolut internationales Publikum. Nach jedem Lied der Stones habe die Leute geklatscht als wären die Stones „tatsächlich“ da. Scorsese hat mit dem Schnitt und der Kameraführung eine wunderbare Atmosphäre eingefangen. Hängen geblieben bin ich immer wieder bei den Interviews aus den ersten und früheren Tagen, die dazwischen geschnitten waren.

Die Musik spüren

Keith Richard hat da auf die Frage, wie er sich auf die Bühnenpräsenz vorbereitet oder wie der sie „einstudiert“ recht lapidar geantwortet: „Gar nicht“. Scorsese hat herausgearbeitet, wie sie einfach ihrer musikalischen Intuition gefolgt sind. Sie haben nie gewusst, warum sie das so oder anders machen, warum sie genau diese Reihenfolge der Lieder spielen. Dass sie zu ihrer Zeit und bis heute so groß geworden sind, war und ist, dass sie mit unglaublicher Leidenschaft und ohne Berechnung auf Erfolg oder Zuschauer ihrer Intuition gefolgt sind. Der Musik, die durch sie zu den Menschen floss. In einer Weite, die der engen und starren Zeit gut getan hat. Sie waren Kinder ihrer Zeit und haben das bis in die tiefsten Untiefen ehrlich und gerade ausgelebt. Das hat sie wegen Drogen auch ins Gefängnis gebracht. Sie ließen sich in vielen ganz markanten Momenten von anderen Menschen tragen und „herausholen“. Sie hatten keine Angst. Sie waren frei. Ihre tiefe Leidenschaft war die Musik  und „alles andere wird sich schon ergeben“. Das vermisse ich heute sehr oft bei Shows und Auftritten, die von vorne bis hinten durchgeplant sind. Darum wird das mit den Eurovisions-Songcontest nichts mehr. Selbst wer seiner politischen Leidenschaft folgt, steht am Ende vor dem Dilemma, dass bei einem Sommergespräch einstudierte Textbausteine vorgetragen werden und die Sitzhaltung nach NLP starr wird (wirkt). Da ist kein Leben von innen dabei, sondern es bleibt ein äußeres Geschehen. Auch der (katholischen) Liturgie fehlt diese positive Unbekümmertheit, die gemeinsame Impulsivität. Da werden Texte vorgelesen und nicht mit Leidenschaft das Evangelium verkündet. Da wird das Ritual einstudiert und keiner weiß genau, warum das jetzt so ist. „Ich gehe auf die Bühne und lasse mit der Musik alles andere kommen“, meinte Keith Richard. Mit dieser Haltung ans Ambo und an den Altar gehen, wäre das ganze Leben inklusive Spontaneität . Es würde ein großes Aufatmen geben. Die Stones schaffen das sogar über ihre Präsenz auf einer riesengroßen Leinwand.
Und junge Leute, wenn sie  die Musik in den Urlaub führt. Siehe da!