Sechs Tage am 05-er Weitwanderweg: Vom Ötscher über die Veitschalpe zum Hochschwab

Es geht für eine Woche in die Berge und seit Jahren nennen wir es bergGEHEN. Die Woche wird festgelegt und ebenso die Route. Dieses Jahr sollte es „gemütlicher“ werden. So fiel die Wahl auf den 05-er Weitwanderweg über den Ötscher, die Hohe Veitsch und den Hochschwab. Ich bin kein Freund des Zählens. Und doch wurde zusammengezählt: 110 km und 4.400 Höhenmeter hinauf.  Das Wetter hat uns in Wienerbruck (Mariazeller Bahn) feucht empfangen. Dann folgten fünf Tage Sonne und Schönwetter. Am letzten Tag wurden wir mit viel Wasser von oben ins Tal „hinuntergespühlt“.

Den Ötscher vernebelt

Wenn sich Hebammen, Diplomkrankenpfleger, Theologen, Museumsvermittlerin, Agragingeneurinnen, Arbeiter und Lehrerinnen auf den Weg machen, dann ist die richtige Mischung für eine gute Bergkameradschaft beisammen: gemeinsame Vielfalt. Die Anreise erfolgt mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Ein rascher Wechsel in St. Pölten in die Mariazeller Bahn ist notwendig. Mehr als zwei Stunden Nostalgie prägen den Sonntagvormittag. Beim Aussteigen flüchten wir unter das Vordach und machen uns dort „wetterfest“. Zuerst hinunter und dann geht es über den Ötscherhias durch die Ötschergräben hinauf bis zum Ötscher Schutzhaus. Der Regen hat sich verflüchtigt. In oberen Lagen liegen die Wolken tiefer. Der Ötscher, unser erklärtes Ziel, liegt in dichten Wolken. Wir wollten einmal umgekehrt auf Kirchschlag schauen. Es ist uns nicht gegönnt. Dafür erleben wir ein wunderbares Abendrot.

Ambivalente Gipfelsichten

Am zweiten Tag ist die Hütte noch von dichtem Nebel umgeben. Wir starten Richtung Gemeindealpe. Auf halbem Weg zur Feldwiesalm zeigt sich die Sonne. Aufatmen und vergnügte Stimmung breitet sich aus. In der Feldwies-Alm nehmen wir Platz und der Halter erklärt uns seine Tätigkeiten rund um die „230 Stück Vieh“. Ein guter Platz, um zu rasten. Die Gemeindealpe (1.626m) wird über Kehren erreicht, von der die letzte „Gottseidankkehre“ heißt. Der Blick geht hinunter nach Mariazell, den Erlaufsee und in den Norden (Ötscher) und Osten (Schneeberg). Den Blick nach Süd-Westen spart man sich am besten, denn er ist geprägt von zwei riesigen Sendeanlangen und der Bergstation Sessellift. Wir machen ein Foto beim Gipfelkreuz und schauen aus nach unseren nächsten Zielen: Hohe Veitsch und Hochschwab. Es zieht uns hinunter an den Erlaufsee, den wir natürlich in aller Erfrischung auskosten. Das Finale führt uns in das Franziskushaus in Mariazell, vor die schon versperrte Basilika und schließlich zu den „Drei Hasen„. Der Wirt ist ein begeisterter Whisky-Sammler und so gab es nach dem wunderbaren Essen auch eine Verkostung. Sehr empfehlenswert.

Durch Mariazell zur Hohen Veitsch

Der Weg nach dem Frühstück führt uns in die Basilika. Innehalten, zusammenstehen, sich öffnen, beten und der Dankbarkeit Raum geben. Es ist beeindruckend, „wie viel Leben hier schon zusammengegangen ist“. Ein ganzer Tag des Überganges liegt vor uns mit dem Ziel, gegen Abend die hohe Veitsch zu überschreiten auf das Graf Meran Haus unter dem Gipfel. 05-er und 06-er sind auf dieser Strecke ident. Wir merken das sehr schnell, weil uns im Laufe des Vormittags drei Pilgergruppen entgegenkommen und uns humorvoll aufmerksam machen, dass wir in die „falsche Richtung“ gehen. Was ihr Ziel ist, war unser „Durchgang“. Der Weg geht hinunter an die Salza und dann wieder hinauf nach Schöneben (1.099m), von dort hinauf auf den Herrenboden, hinüber auf die Weißalm, die Wetterin und den Niederalpl-Passhöhe (1.224m).  Das Schigebiet haben wir insofern getestet, als wir die sehr steile Schiewiese „abgegangen“ sind. Der Altbürgermeister von Mürzsteg hat uns dort erwartet und uns einiges über diese Gegend erzählt. Der Aufstieg auf die Hohe Veitsch (1.981m) in der Abendsonne am Ende eines schon weiten Weges hat sich gelohnt. Alles stehen wir am Gipfel und genießen das gemeinsame Unterwegs-Sein und die Abendsonne. Die Graf Meran Hütte hat praktisch kein Wasser und so fallen wir sehr bald, gut müde und mit dem Tagesschweiß gesegnet  ins Lager.

Ein Tag des Überganges

Das Frühstück war einfach und reichlich. Der erste Abstieg von der Veitsch über den Teufelssteig (etwa 350 Höhenmeter) hat uns gleich wieder Schweißperlen gebracht. Auf der wunderbaren Rotsohl Alm gab es wieder Wasser. Flaschen nachfüllen. Über die Turnauer Alm, die Göriacher Alm geht es hinüber auf den Seeberg Sattel. Die Wege geben viel Raum zum Denken und gemeinsamen Reden. Über sechs Stunden sind wir unterwegs am Übergang von der Veitschalpe zum Hochschwab. In Seewiesen sind wir „weit unten“ (ca. 900 m). Wir mobilisieren wieder alle Kräfte hinein in das Seetal und hinauf auf die Voisthaler Hütte (1.654 m). Eine Teilnehmerin meint: „Das ist ja ein echtes Weitgehen.“ Und mir kommen natürlich immer wieder diese weiten Strecken nach Assisi und heuer  im Frühjahr nach Volkenroda in Thüringer „unter“. Gehen ist eine Wohltat und Herausforderung. Der Hüttenwirt auf der Voisthaler erwartet uns schon und wir sind begeistert von seiner Art, wie er die Hütte „schaukelt“. Er ist ein Meister darin, wie man mit begrenzter Ressource (zB Wasser) trotzdem gut umgehen kann. Gutes Essen (Wir haben uns bei der Köchin extra bedankt) und Trinken und alles war da für gute „Toilette“. Die Wettervorhersage ist sehr gut.

Schweben am Hochschwab

Wir sitzen um 7 Uhr beim Frühstück. Strahlend blauer Himmel und das Gipfelkreuz vom „Schwob“ (Hochschwab) lacht herunter. Der Aufstieg dorthin ist begleitet von Gämsen und Steinböcken. Nach 2 1/2 Stunden stehen wir am Gipfel des Hochschwab (2.277 m) und freuen uns des Lebens. Eine traumhafte Aussicht und angenehme Temperaturen sagen uns: Bleibt. Fast zwei Stunden schauen wir, essen, versuchen die Gipfel und Bergketten rundherum zu „erklären“. Dohlen segeln vorbei und Menschen kommen und gehen. Es ist der „Höhepunkt“ unserer Tour. Beim Abstieg kommen uns 15 KnittelfelderInnen entgegen, die zum zwanzigsten Mal ihre Wallfahrt nach Mariazell gehen. Wir tauschen Erfahrungen aus und freuen uns mit ihnen, dass sie hier oben angekommen sind. Wir können das erst wirklich einschätzen, wie weit es ist, nachdem wir selber nach 3 Stunden bei der Häusl Alm (1.526 m) angekommen sind. Dazwischen waren eindrucksvolle Felsformationen, „Bergwiesen“, kleine Klettereien und eine 12-köpfige Steinbockherde in unmittelbarer Nähe. Über den ganzen Hochschwab gibt es kein Wasser. Umso mehr haben wir die Gastfreundschaft der urigen Häusl Alm genossen. Der Sackwiesensee am Weg hinüber zur Sonnschien Hütte war natürlich der Wellness-Point schlechthin. Auch wenn das Wasser nicht wirklich angewärmt war, so haben alle dieses „volle Wasser rund um den ganzen Körper“ genossen. Auch wenn Gewitterwolken zur Eile antreiben wollten, so hat sich Gemütlichkeit breit gemacht. Nach etwa 25 Minuten waren wir auf der Hütte für die kommende Nacht. Die Wettervorhersage war schlicht „katastrophal“. Wir entscheiden, am nächsten Tag den Weg ins Tal zu suchen.

Abstieg und Heimweg reihen sich überraschend flott aneinander

Der erste Blick aus dem Fenster zeigt: Es regnet. Nach dem Hüttenfrühstück packen sich alle wieder ein wie am ersten Tag. Es geht den Streller Steig hinunter durch die Klamm zum Grünen See in der Hoffnung, dass wir einen guten Anschluss mit den Öffis haben. Die letzte Stunde des Abstieges hat der Regen wieder ordentlich zugelegt und die Gruppe hat eine gewisse „gehende Stille“ erfasst. Dem aufmerksamen Blick in den Rückspiegel des Busfahrers verdanken wir das rasche Heimkommen. Er hat uns im Rückspiegel entdeckt und gewartet. Danke. Der Bus nach Bruck an der Mur wurde zur Umkleidekabine umfunktioniert. Das war für die hiesigen Fahrgäste anregend. Den Überstieg in den Zug hatten wir in zehn Minuten zu erledigen. Das „einfach raus Ticket“ beschert uns eine super Preis und doch eine Wartezeit von einer Stunde in Selzthal. Dieser Bahnhof ist geprägt von gebirgsähnlichen Zuständen und hat keine „Hüttenfunktionen“. Und doch fahren wir bequem, einander erzählend und rückblickend nach Linz weiter, während der Regen an den Fenstern abfließt. Der Regen war die Klammer auf unserem Weg am 05-er. Die Bilder von der schönen Gegend auf diesem weiten Weg haben wir eingepackt.

Die Tagesetappen

1. Tag:  Zug Linz – St. Pölten – Wienerbruck | hinunter Ötschergräben – Ötscherhias – Riffelsattel – Ötscher Schutzhaus (1.418 m)

2. Tag: Schutzhaus – Riffelsattel – Feldwiesalm – Gemeindealpe (1.626 m) – Erlaufsee – Mairazell (868 m)

3. Tag: Mariazell – Salza Halltal (785 m) – Mooshuben – Niederalpl-Pass – Hohe Veitsch (1.981 m) – Graf Meran Haus (1.836 m)

4. Tag: Graf Meran Haus –  Teufelsteig – Turnauer Alm – Göriacher Alm – Seeberg Sattel – Seewiesen (942 m) – Voisthaler Hütte (1.654 m)

5. Tag: Voisthaler – Schiestl Haus – Hochschwab Gipfel (2.277 m) – Rauchtal Sattel – Häusl Alm – Sonnschienhütte (1.523 m)

6. Tag: Sonnschienhütte – Parkplatz Grüner See in Oberort (793 m) | Bus nach Bruck und Zug nach Linz.