Der Politiker als Arzt

anschoberEs war ein großer „Medienrummel“, liest und hört man heute in den Medien. Rudi Anschober hat sich von seinem Burnout zurückgemeldet. Drei Monate keine Silbe, kein Wort und keine Zeile vom amtierenden Landesrat. Hut ab. Die Agenda wurde aufgeteilt und bewältigt. Wenn einer für so lange aus dem heute so rasant dahingaloppierenden politischen Alltagsgeschäft aussteigt, dann löst das Aufmerksamkeit aus. Was ist der Fokus der Aufmerksamkeit?

Schnell und schief

Wenn einer so wie ich nicht im „Medienrummel“ dabei war, dann ist man auf „Sekundär-Erzählungen“ angewiesen, auf Geschriebenes,  Audio und auf Video. Zwei Video-Ausschnitte zeigen die wesentlichen Passagen der Pressekonferenz. Interessant ist, dass das erste Video jenen Ausschnitt zeigt, wo Anschober von seiner Krankheit erzählt. Burnout ist heute eine allgegenwärtige Bedrohung. Der zunehmende Leistungsdruck, der mittels Excel-Tabellen jederzeit nachkontrolliert werden kann und durch mobile Überwachung nachvollziehbar ist, macht den Leuten zu schaffen, oben und noch mehr unten. Die allgemeine Bechleunigung des gesellschaftlichen Geschehens lässt das kollektive Atmen nicht nur erahnen. Dieser kollektiv-strömenden Atemluft kann man sich fast nicht mehr entziehen. Natürlich tragen gewisse dauer- und omnipräsente Politiker zu dieser Beschleunigung selbst bei. Medien treiben einige wenige durch alle Kanäle und die Getriebenen können angeblich nicht mehr aus. Was dem einen zu viel wird, nimmt der andere zu seinen Ressorts noch dazu. Von der Machtspitze aus lässt sich mehr bewältigen als von der Position des dauernd in Frage gestellten Koalitionspartners. Die schiefe Ebene der Macht ist für den Landeshauptmann auf seiner Seite und für den aus der Opposition kommenden dauernd bergauf gerichtet. Das ist hier aber nicht von weiterem Interesse.

Nicht Politik interessiert sondern die Erfahrung einer schleichenden Krankheit

Der Fokus der Aufmerksamkeit ging auf die Erzählung von Anschober, wie er in das Burnout gekommen ist, wie er es bemerkt hat, wie er sich geweigert hat, wie er es angenommen und mit Bravour ganz transparent und öffentlich eingestanden hat. Die konsequenten drei Monate haben viele in Erstaunen versetzt, dass das für einen Politiker „heute noch geht“. Ich meine: Es muss gehen. Der Mensch ist nirgends eine Maschine. Insofern ist Anschober ab heute nicht nur Politiker, sondern auch „Arzt und Therapeut für viele“.  Ich getraue mir zu wetten, dass die persönlichen Gespräche in den nächsten Monaten und Jahren zum Großteil zu seinen Erfahrungen mit dem Burnout gehen werden. Persönliche Erfahrung ist wichtiger als politische Positionskämpfe. Er wird uns, wie ich ihn kenne, auch zeigen, dass der Mensch über den oft ungesunden Ansprüchen der Macht- und Mediengesellschaft stehen kann. Von Wachstum zu reden ist heute einfach. Mit weniger besser zu leben ist die wirkliche Kunst. So könnte seine Krankheit auch zur Heilung des politischen omnipräsenten Dauerlaufs im Machtkarussel beitragen. Einatmen – – –  ausatmen. Auch in der Politik – und in den Medien.