Der Spalt geht auf und wo ist die Kirche im Kampf für Solidarität und Gerechtigkeit

Etwas betroffen verfolge ich heute die neuesten Ereignisse in der „ungehorsamen Gehorsamsdebatte oder im gehorsamen Ungehorsamsverhalten“. Es ist so weit. Die in der Logik gehorsam vorgetragenen Anliegen sind am Tisch. Inhaltlich schlüssige Antworten sind die Bischöfe schuldig geblieben. Ich nehme als Beispiel jetzt nicht die Frauenweihe, weil sie hier in einer besonderen selbstverfassten Zwickmühle sitzen. Der Vatikan hat festgelegt, „dass man in diesem Falle gar nicht ‚handlungsbefähigt‘ ist.“ Das erinnert mich an die geschlossenen Excel-Listen, die im Hintergrund programmiert sind und die Admin-Rechte zur Veränderung sind einzig und alleine im Himmel. Jesus hat programmiert und der ist in den Himmel aufgefahren. Dort alleine liegen Login und Passwort für eine Umprogrammierung: „Wir können da gar nichts machen.“

Der ungeschminkte Blick und die Solidarität der 70%

Nein, ich nehme das Beispiel der Ausdünnung der Seelsorge. Hat je ein Bischof schlüssig auf Zukunft hin erklärt, wie es in der Pfarrseelsorge bei den konkreten Menschen weitergehen soll, wenn die in dieser Aufgabe zum Zölibat Verpflichteten noch weniger und älter geworden sind? Gestern hat mich in einem Meeting eine PR-Verantwortliche gefragt, warum die Medien immer nur über Priester schreiben und so selten über Ordensschwestern, Ordensbrüder oder speziell beauftragte TheologInnen in wichtigen Funktionen.
Meine Sichtweise hat sich über die Jahre herausgebildet:
1. Geweiht ist beim Großteil der KatholikInnen selbst viel mehr als getauft.
2. Die Bischöfe und die Hierarchie selber betonen immer wieder die Wichtigkeit des Priesteramtes (gerade jetzt in der Zeit der Priesterweihen).
3. Die Medien beobachten das und übernehmen diesen Prioritäten-Raster.
4. Was für enorm wichtig erklärt und rar wird, wird noch interessanter.
5. Die Medien selber agieren im „Hierarchie-Modus“ und kennen den synodalen Communio-Modus nicht oder nur sehr selten.

Der Dienst an der Gesellschaft erlaubt den Spalt nicht

Die Lösung der Hierarchie liegt meiner Wahrnehmung im Gesundschrumpfen. Die kleine Herde ist kein verpöntes Wort mehr in den oberen Etagen. Auf Twitter wurde die Aktion 70% gestartet. Das Ziel ist, die 70 % ChristInnen in den Fokus zu nehmen, die in unserem Land leben. Sie haben ein Anrecht, als Getaufte gesehen zu werden. Das sind nicht nur die Müden, sondern auch die Kreativen, die Suchenden, die „Fremd-Gewordenen“. Sie haben ein Anrecht, dass sie Kontakt, Seelsorge, Sakramente und die Vorbereitung darauf gut und professionell erleben. Die ausgedünnte Decke der Priester und die nicht „wirklich handlungsbemächtigten Laien“ sind nicht jene Netz-Brücke, über die Menschen gehen werden (wollen). Schade, dass nicht an der Verdichtung des Netzes gearbeitet wird, sondern jetzt mit Sanktionsmaßnahmen der Spalt aufgeschlagen wird. Dabei wäre entlang dieser „Gehorsams-Ungehorsams-Debatte“ etwas möglich: „Der ungeschminkte Blick auf die Realität birgt das größte Veränderungspotential in sich.“ So bleibt eigentlich nur die Hoffnung, die Sr. Kunigunde Fürst in ihrem Interview in den OÖN formuliert hat: „Die Erneuerung der Kirche fängt unten an, von oben wird sie nicht kommen.“  Der Spalt von oben wäre nicht notwendig gewesen in gemeinsamer Verantwortung für die Zukunft des Netzwerkes Jesu. Und dass die Impulse des Netzwerkes Jesu gesellschaftlich notwendigst wäre, betonte gestern die Sozialethikerin Ingeborg Gabriel: „Mit ihrem „beeindruckenden“ Netzwerk sollten die Kirchen in verschiedensten Bereichen ihren Beitrag zu einem verstärkten Gerechtigkeitsdiskurs leisten.“ Dieser Kampf für Gerechtigkeit und Solidarität lässt diese innerkirchlichen Spaltereien erblassen, oder?