Der Wiener Höhenweg. „Schartig“, schön und vielfältig.

Ein Höhenweg hat heuer nicht gereicht. Noch dazu kam immer wieder die Erinnerung auf, dass ich durch mein Assisi-Gehen im Vorjahr das bergGEHEN der Kirchschlager versäumt habe. Während ich im Kanaltal Richtung Süden unterwegs war, war die Gruppe am Wiener Höhenweg von Iselsberg hinauf Richtung Großglockner unterwegs. Und alle wargen begeistert – nicht nur vom Wetter im Vorjahr, sondern auch von der Gegend. Und heuer sehe ich die Chance: Diesen Wiener Höhenweg in der Schober- und Glocknergruppe musst du dir gönnen.

Aufbruch in Glanz

Während sich meine Frau mit dem Auto von Matrei aus über den Felber Tauern Richtung Kirchschlag auf den Weg machte, startete ich meine Tour in Glanz (Matrei) zu Fuss und alleine in Richtung  Steiner Alm (1914m) hinauf zur Sudentendeutschen Hütte (2.656m). Die ganze Strecke ein wunderbarer Panoramablick hinunter nach Matrei und hinüber Richtung Virgental und die Venediger-Gruppe. Die Mittagssuppe hat mich gestärkt und so geht es nachmittags weiter zur Kals-Matreier Hütte (2.207m) auf dem Thörl. Der Weg dahin ist ausgesetzt aber wunderbar zu gehen. Immer wieder der Großglockner in voller Pracht vor Augen. Ein holländisches Ehepaar macht auf dem Weg einen desperaten Eindruck und sie haben sich vergangen. Ich nehme sie mit bis zur Hütte und sie steigen gleich weiter ab nach Kals. Ich wollte auf der Hütte übernachten. Dann wurde mir klar, dass der Abstieg nach Kals morgen früh (etwa 800 Höhenmeter) nicht besonders vorteilhaft sein wird. So starte ich selber ebenfalls hinunter. Nach 9 Stunden Tagesgehzeit läute ich bei Frau Schnell an und bekomme eine Unterkunft. „Es geht sich leicht aus, weil heuer nicht viele Gäste da sind“, meint sie etwas traurig und erwähnt in dem langen Gespräch auch, „dass die Jungen alle fortgehen“. Sie macht mir auch ein wunderbares Frühstück.

Den Glockner links liegen gelassen

Das Tagesziel heute ist die Elberfelder-Hütte. Doch zuerst kommt der Aufstieg zum Lucknerhaus (1.948m). Das Ende der Kalser Glocknerstraße ist Ausgangspunkt für den Großglockner und bietet für Autofahrer wirklich einen wunderbaren Blick auf den Glockner. Mein Weg führt allerdings auf die Glorer-Hütte (2.651m). Dort bin ich wieder um die Mittagszeit und jetzt am eigentlichen Wiener Höhenweg angekommen. Und wieder einmal stimmt die Richtung nicht: Die meisten gehen den Weg von Süden nach Norden zum Großglockner. Ich bin aus rein praktisch-logistischen Gründen umgekehrt unterwegs. In Matrei war ich und in Lienz ist der Zug für die Heimfahrt. Die Mittagssuppe macht mich übermütig und ich gehe über das Kasteneck (2.821m) hinunter auf das Peischachthörl (2.484m) wieder hinauf über den Kesselkeessattel (2.926m) dann steil hinunter auf die Elberfelder-Hütte (2.348m).  Dieser Tag war wieder lang und ich rechne mir aus, dass ich wieder einmal 8,5 Stunden Gehzeit in den Schuhen habe. Es schmerzt nichts. Das Wetter ist warm und ich gehe immer in kurzer Hose und im Leiberl. Mehr ist auf dieser Höhe in diesen Tagen, wo anderen in Büros und in der Stadt vor sicht hinschwitzen, nicht notwendig. Abends beginnt es allerdings leicht zu regnen. In jedem Fall schlafe ich nach einem Bergsgteigeressen gut und fest bis 6.15 Uhr.

Zwei Schutzengel haben heute zu tun

Es ist wieder gutes Wetter. Mein Ziel ist die Wangenitzsee-Hütte. Wenn ich dort angekommen bin, dann habe ich wieder einmal zwei Tagesetappen an einem gemacht. Wir werden sehen. „Na, alles gute auf der Hornscharte“, wünscht mir noch eine Frau, die gestern abends die Hütte fast verrückt gemacht hat, weil sie nicht gewußt hat, wie sie auf die Nossberger-Hütte kommt. Ich gehe über die Hornscharte (2.958m) und sehe fast ganz oben, warum sie so skeptisch war. Das Seil hin in der Felswand und war nicht zu gebrauchen. Wie drüberkommen. Es geht steil hinunter. Ich suche mindestens eine Viertelstunde einen Weg. Schon wollte ich umkehren. Da nehme ich mir den Mut und ich weiß nicht, auf einmal war es so, als ob jemand angeschoben und Halt am Felsen gegeben hat. Auf der Scharte frage ich mich, wer da angeschoben hat. Wir wissen, dass wir einen Schutzengel haben. Dem danke ich. Der Abstieg ist wieder sehr steil, aber gut gesichert. Ein großes Schneefeld hat der Hüttenwirt von der Nossberger mit einem Bergsteigerseil begehbar gemacht. Ich bin froh, dass ich drüber bin und folge dem Weg auf die Nossberger-Hütte (2.488m). Auf der Hütte erfahre ich, dass an der Sicherung der Hornscharte schon eifrig gearbeitet wird. „In einer Woche soll sie wieder gut begehbar sein“, wird mir versichert. Wo ich das schreibe (2.8.2010) müßte die Arbeit getan sein. Die Nossberger-Hütte liegt wirklich wie eine Perle neben den Seen in diesem Talschluß. Ich bedauere ein wenig, dass ich nicht bleibe. Die Kürbiscremesuppe schmeckt ausgezeichnet. Dann breche ich wieder auf, über die Niedere Gradenscharte (2.740m) hinüber auf die Wangennitzsee-Hütte. Die Wolken werden dichter. Auf der Scharte oben spüre ich einige Regentropfen. Der Weg führt wieder steil hinunter, am felsigen Hang dann hinüber zur Kreuzseescharte (2.810m). Dort sehe ich, dass ich einen großen „Umweg“ gegangen bin. Ich empfehle hier wirklich, über die Hohe Gradenscharte (ca. 2.803m) zu gehen. Es ist kürzer und auch nicht schwerer. Kurz vor der Kreuzseescharte geht ein Hagelschauer über mich hinweg, dass ich mit den „Dichtmachen“ gar nicht so schnell war. Nach ein paar Minuten war wieder Ruhe. Ich sehe von der Scharte aus die Hütte, den Kreuzsee und den Wagenitzsee. Ein wunderbares Bild. Vorbei an unzähligen Steinmandln komme ich zur Wagenitzsee-Hütte (2.508m). „Gut, dass du da bist“, sagt die Hüttenwirten, denn in diesem Augenblick beginnt es ordentlich zu regnen. Danke dem zweiten Schutzengel, der das Wetter so eingerichtet hat. Es regnet in Strömen, auch in der Nacht immer wieder. Wir sind 8 Gäste auf der Hütte. „Wer kommt da schon herauf bei dem Sauwetter?“, meint die junge Kellnerin. Ich bin froh über das trockene Lager nach 8 Stunden Gehzeit und doch einigen Höhenmetern. Ich richte mir alles für morgen. Ich nehme fix an, es wird ein langer Abstieg im Regen.

„andererseits“ und das Wollen, das Können und das Dürfen

Um 7 Uhr blicken wir gemeinsam aus dem Lagerfenster. Die Sonne. Unglaublich. Die Berge sind aber alle weiß geworden in der Nacht. Und es ist kalt geworden. Vier Grad. Frühstück und dann geht es los. Ziel ist Iselsberg bzw. Lienz. Zuerst geht es noch über eine Wangenitzsee-Scharte (2.610m) mit einem wunderbaren Rückblick auf Hütte, Seen und die verschneiten Berge. Dann geht es hinunter, Meter um Meter zur Roan-Alm. Dort erklärt mir ein alter Bauer bei seinem Kaffee und seiner Zigarette, „dass in den letzten Jahren hier alles anders wurde“. Gemeint hat er die „Verwaldung“ des ganzen Tales bis hoch hinauf. Schließlich komme ich nach etwa 6 Stunden Gehzeit in Iselsberg an. Ich warte auf den Bus – und der kommt nicht. So halte ich meinen Daumen hinaus und schon bald nimmt mich ein Lienzer mit bis hinunter in die Stadt. Abends am Bahnhof angekommen, organisere ich noch die Karte für die Heimfahrt morgen und beziehe Quartier im Sporthotel.


Die Gedanken beim Abstieg waren schon wieder bei der Arbeit. „andererseits“ könnte der Ansatz werden, neu mit den Menschen über jesuanische Kirche und Themen ins Gespräch zu kommen. Damit könnten wir die vorhandene Einschätzung „ergänzen“. Auch die Situation der Diözese kommt mir immer wieder unter. Warum ist so viel Demotivation und Stillstand da? Aus der Motivationsforschung kennen wir die drei Komponenten einer lebendigen Motivation: Wollen – Können – Dürfen! Das Können ist da. Das Wollen ist schon nicht mehr so sichtbar. Das Nicht-Dürfen (Einschränkungen Predigt, Taufe, …) ist allgegenwärtig. „andererseits“ spüre ich: Das Evanglium lebt an der Basis und in Selbstverantwortung! In der Unterführung nach Urfahr habe ich an die Wand gesprüht gelesen: „Kein Mensch hat das Recht zu gehorchen  – Hannah Ahrendt“.