„Hast du von der Synode etwas mitbekommen?“, fragte ich dieser Tage eine „schmal kirchenaffine Person“ (Selbstdefinition). Nachdenklichkeit und dann: „Die runden Tische und lange hat es gedauert. Dass man so viel Zeit braucht, um ein paar strittige Themen zu besprechen, verwundert mich.“ Diese Wahrnehmung dürften viele Katholik:innen ähnlich abgespeichert haben. Ergebnisse gab es ohnehin nicht zu verlautbaren. Alles geht im Prozess dahin. Wir von der KAÖ haben uns daher die direkte Teilnehmerin der Synode, Univ. Prof.in Klara Csiszar, in ein Zoom-Meeting eingeladen. Hier eine sehr persönliche Mitschrift, fragmentarisch und gekritzelt.
80% Zustimmung für alle Passagen des Textes für den Synthese-Bericht ist ein Wunder. Warum? In diesen Wochen ist es gelungen, vom Ich zum Wir zu kommen, die Themen des Anderen wurden im persönlichen Austausch bei den Tischen, in den Kaffeepausen, beim Essen und in den drei Häusern des gemeinsamen Wohnens wichtig. Die Themen des Anderen und nicht die meinen. Die Methode „Gespräch im Geiste“ (oder auch spiritueller Dialog) war da sehr hilfreich, die Moderatorinnen und Moderatoren an den Tischen professionell und mit Authorität ausgestattet, die Zusammensetzung an den Tischen bei jedem Modul anders, immer gemischt, nie Bischöfe oder Kardinäle alleine zusammen. Das war Vorgabe, genauso wie die drei Minuten Sprechzeit, die Stille und daraus die Reaktion. Die Tischberichte wurden im Konsens erstellt nach Konvergenzen, Divergenzen oder Spannungen und „Schritte voran“. Klingt lösungsorientiert, fluide und nicht kristallin. Nach der ersten Lesung des Synthese-Berichtes wurden 1.200 (eintausendzweihundert) Modifikationsanträge eingebracht. Da wurde schon klar: Die Kirche spricht in ihren Gliedern miteinander und nicht übereinander, auf Augenhöhe miteinander, und das im Vatikan. Viele Beispiele aus meiner Zeit der Bischofsnähe könnte ich hier erzählen, wie von oben herab über Personen und Vorgänge gesprochen wurde. Das stellt sich jetzt ganz anders dar, wahrscheinlich das Neue schlechthin.
Geschichten haben Gesichter bekommen
Die Themen der westlichen Welt, die wir seit dem Vatikanum II als Themen immer wieder mittragen, sind überall präsent, aber nicht offen besprochen. Siehe oben. Darüber spricht man nicht. Unterschiedliche Zugänge zur Frage der „Tradition“ werden sichtbar. Bei dieser Synode sind die Themen der Welt auf den Tischen der Weltkirche ungeschminkt angekommen. Gerade am Thema „Frauen“ (gleiche Würde, Frauenpriestertum, Ämter) hat sich gezeigt, dass über alles offen (in der ersten Gesprächsrunde offener) gesprochen wurde. Das gab es so noch nie im Vatikan. Eben: das Wunder. Der Geist des Konzils war da, spürbar, erlebbar. Die Theologie spielte diesmal allerdings eine geringere Rolle, dafür die authentischen Erfahrungen, Erlebnisse, Lebensumfelder, Lebensgeschichten. Frauen sprachen offen über ihre Berufung. Und es waren vor allem die am Prozess beteiligten Frauen, die den Resonanzraum der Synode hellwach nach auftauchenden Ängsten abgescannt haben, um dagegen etwas unternehmen zu können. Vieles ist im „Dazwischen“ geschehen. Ängste wurden dort abgebaut, wo Gegensätze am Tisch beim Essen zusammensitzen. Zuhören wurde zentral, das Aufeinandertreffen als Wohltat erlebt, praktiziert und Geschichten haben Gesichter bekommen.
Die Rechenschaftspflicht der Bischöfe in Gremien
Jene Frau, die jahrelang in der Flüchtlingsarbeit in Mexiko arbeitet. Der Seenothelfer am Mittelmeer erzählte von der Not dort. Die Ordensfrau, die dieses Monat bei der Synode im Frieden leben durfte, ist ansonsten seit Jahren im Kriegsgeschehen daheim. Die stimmberechtigten Laien aus Syrien hatten volle Aufmerksamkeit. Das hat gewirkt, hat bisherige Lebensbilder verflüssigt, ergänzt. Wer jetzt etwas „aus Rom“ erwartet, hat nicht genau hingesehen. Dort ist gerade eine tiefe Transformation im Gange, eine Verwandlung der Kommunikation, des Auftrages, der Sichtweisen. Die Kirchenrechtler:innen wurden bald dazugeholt, weil es Auswirkungen auf das Kirchenrecht geben wird. Die Hoffnung und die Hinweise sind groß, dass sich die Kirche eine neue Verfassung geben wird, im nächsten Jahr, nach der 2. Synode über die Synodalität. Bis dahin gilt es vor Ort, bei uns in Österreich, mit Engagement und Herzblut die Synodalität zu leben. Es braucht jetzt mutige Praxis, damit „synodale Kirche“ lebendig wird. Es braucht Ausbildungen für das Zuhören im synodalen Sinne. Die theologische Forschung in transdisziplinärer Form ist erwünscht, beispielsweise bei Gender, Zölibat, Option für die Armen, die Soziallehre für politisches Engagement und die Sorge um das gemeinsame Haus im Sinne eines sozial-ökologisch-spirituellen Welt- und Menschenbildes. Ausbildungen sollten nicht separiert, sondern mitten im Leben stattfinden. Die Rolle der Bischöfe muss hinterfragt werden im Spannungsfeld von Vater und Richter. Die Räte und Gremien müssen lebendig gestaltet und nicht eingestellt werden. Sie sind nach dem Synthese-Papier verpflichtend. Der Pastoralrat in Wien wurde beispielsweise eingestellt, auch anderswo. Die Rechenschaftspflicht in diese Gremien hinein trifft Bischöfe genauso wie den Klerus, die Amtsträger. Der vom Papst immer wieder angeprangerte Klerikalismus versteht sich als „Privilegien genießen und Rechenschaft verweigern“. Zentral ist die Rechenschaftspflicht gegenüber den synodalen Gremien.
Das Was und Wie muss kongruent sein
Die Ortskirchen sollen entscheiden. Also die Bischöfe und Bischofskonferenzen. Plenarkonzilien sollen aufgewertet werden und die „Laienverbände“ müssen partizipieren (können). Das trifft natürlich auf die Katholische Aktion und die Gliederungen zu. Wir müssen partizipieren können, wenn wir synodale Kirche werden wollen. Da ist in Österreich doch einiges „verstopft“, der Skepsis ausgeliefert, mit anderen Interessen gefüllt, dem Wunsch nach einer „unpolitischen Kirche“ geschuldet. Ruhiges Fahrwasser ist beliebt. Der Papst verlangt Parteiung, ein gesellschaftspolitisches Christentum und will, dass die Soziallehre der Kirche wieder bewusst bekannt gemacht wird. Von außen bekommen wir als KA ein ermutigendes Feedback an diesem Abend: Ihr als KA seid mit Herzblut Anwältin der Menschenrechte, der Schöpfung, der soziale Gerechtigkeit. Ihr tut das als kompakte und professionelle Stimme, die präsent und laut ist. Eure Stimme ist nicht beliebig. Mit wachen Augen, Herz und Händen sollt ihr euren Beitrag einbringen. Danke. Der Papst will es laut, in jedem Fall, wenn wir jung sind. Wo war der Text gefährdet? Wir ahnen es: sexuelle Orientierung, Frauendiakonat, Authorität der Bischöfe und Gremien als synodale Instrumente. Nochmals das Wunder: immer mehr als 80% Zustimmung. Manchmal scheitern nicht die Themen, sondern das WIE der Themen. Zu schnell, zu unklar, von oben, falscher Kontext, mit Interessen aufgeladen. Besserwisserei hat es auf der ganzen Welt schwer, jetzt nach der Synode umso mehr. Mir kommen nach dem Verlassen des Zoom-Meetings immer wieder jene Passagen meines Anpacken-Buches in den Sinn, wo es um die neue Art der Verknüpfungen und um das neue Verknüpfen geht, das elliptische Denken und alles Schritt für Schritt. Von der KA habe ich damals beim Schreiben noch nichts gewußt. Jetzt brauchen wir diese Sichtweisen für den Weg in die Zukunft, als „Pilgerin im Jetzt“. Wie meinte Klara Csiszar zu uns als KA? Die Synthese (gemeinsam) lesen. Die Freiräume identifizieren und gestalten. Den Kairos nutzen und tun. Übrigens: Das KA-Prinzip „sehen – urteilen – handeln“ ist auf Seite 8 zu lesen.
Hier der Link zum Synthese-Bericht.
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Eva Ulbrich, jetzt Seelsorgerin in der Pfarrgemeinde Urfahr-St. Markus und Beauftragte für Jugendpastoral in der Pfarre Urfahr, hat mir auf diese Zusammenfassung oben ein Email geschrieben, mit dem sie das hier Gesagte in einen größeren Zusammenhang stellt. Nach Rücksprache mit ihr dokumentiere ich ihr Email zum Bericht dazu. Ermutigende Quintessenz: Die jungen Christinnen und Christen werden doch mehr gehört als es den äußeren Anschein hat:
„Ich hab mir gerade deinen Bericht über das Gespräch mit Professorin Csiszar durchgelesen, danke dafür. Ich merke, dass ich da noch eine Perspektive hinzufügen möchte. Ja, die Sitzordnung dieser Synode war neu und diese (und andere kleine Veränderungen) haben bestimmt vieles bewirkt.
Dass das „Frauenthema“ zum ersten Mal so in einer Synode vorkam würde ich so nicht sagen. Ich sehe zwischen diesem synodalen Prozess und der Jugendsynode (bzw. dem jugendsynodalen Prozess 2017-2019) so viele Themen, die aufeinander aufbauen. Und ganz viele Änderungen, die gerade passieren, waren Themen bei den Treffen der jungen Menschen im März 2018 und Juni 2019. Auch das kurz angeschnittene Zitat mit einer jungen Kirche ist ein Rückgriff auf die Eröffnungsrede des Papstes bei der Vorsynode der Jugendlichen im März 2018. Ich habe meine Diplomarbeit („Im Herzen habe ich gejubelt, in echt konnte ich es leider nicht. Zur Globalität der Frage nach Geschlechtergerechtigkeit in der römisch katholischen Kirche. Erkenntnisse aus dem vatikanischen jugendsynodalen Prozess 2017-2019“) auch genau zu diesen Prozessen und exemplarisch zum Thema Geschlechtergerechtigkeit verfasst und ich sehe hier einen Schulterschluss zur Jugendsynode. Und: Vielleicht sind die jungen Menschen doch mehr gehört worden, als es damals danach gewirkt hat. Aber die großen Veränderungen haben sich bereits in diesem Prozess und den damaligen Gesprächen mit Entscheidungsträgern abgezeichnet.
Danke dir für deine Gesprächsnotizen! Es ist gut zu sehen, dass sich etwas tut. Und ich möchte die Perspektive der Jugendsynode hinzufügen, da ich denke, dass diese hier Relevanz hat und nicht übersehen werden sollte.“
[Eva Ulbrich war beim jugendsynodalen Prozess als Eva Wimmer in Rom beteiligt. Im März 2018 bei der Vorsynode der Jugendlichen als Vertreterin der österreichischen Bischofskonferenz. Im Oktober 2018 als Jugendkorrespondentin für österreichische Medien, Vertreterin der Katholischen Jugend in Rom und Begleitung des Jugendbischofs. Im Juni 2019 war sie beim nachsynodalen Treffen der Jugendlichen wieder als Vertreterin der österreichischen Bischofskonferenz in Rom mit dabei.]