Die Wahrscheinlichkeitsrechnung hat nicht funktioniert

„Wir müssen den Zugang und die Anwenung von Technologie neu denken“, war sich Gerfried Stocker beim Gesprächsabend „Wie designen wir unsere Zukunft?“ im Kepler Salon am 15. März 2011 ganz sicher. „Es braucht die technischen Errrungenschaften, aber alles im menschlichen Maß.“  Stocker spricht von „unverantwortlichen, profitgierigen Konzernen“ und zum Teil von „karrieregeilen Wissenschaftlern“, die sich ohne menschliches Augenmaß selbst verwirklichen. „Wir sind erst dabei, die spirituellen, künstlerischen und wissenschaftlichen Dimensionen zu erkunden“, meint der künstlerische Leiter des AEC in Linz ( www.aec.at) . In jedem Fall steht fest: Die auf bestimmte Annahmen beruhende Wahrscheinlichkeitsrechnung hat nicht funktioniert.

Plädoyer für ein holistisch-synoptisches Weltbild

Univ. Prof. Michael Shamiyeh  ( http://www.domresearchlab.com  ) von der Kunst-Uni Linz hielt in seinem Statement ein Plädoyer für eine ganzheitliche Sicht auf Mensch – Erde – Technik: „Die unbändige Technik und das Immer-Mehr, der Bessere, der Größere, der Vordere, der Erste sein zu wollen, zerstört die Grundlage unseres Lebens.“ Shamiyeh zeichnete auf eine Tafel mit Kreide drei Arten auf, wie wir auf Zukunft zugehen können:  1. Zukunft wird aus der Vergangenheit in die Zukunft verlängert. 2. Durch eine umfassende Jetzt-Analyse wird Zukunft verbessert, aber linear weiterkonstruiert. 3. VordenkerInnen, die ein Zukunftsbild „antizipieren“ und damit aus den jetzt Existenten die Basis für Zukunftsgestaltung legen. Dh. das Bestehende verlassen und in einem „zukünftigen Zustand“ leben.

Ökonomisch lineares Denken bekämpfen

„Das rein ökonomisch-lineare Denken muss bekämpft werden zugunsten einer holistisch-synoptischen Betrachtungsweise“, ist sich Shamiyeh sicher. Das Design-Denken muss in die Grundlagentechnik integriert werden: „Wir haben auch ein ausgeklügeltes System geschaffen, dass keiner verantwortlich ist.“ Wir haben Verantwortung, wir haben das alles in Gang gesetzt, was wir in dieser Welt vorfinden. Die Frage, wozu das Ganze dienen soll, muss ständiger Begleiter sein. Shamiyeh erzählt im Kepler Salon von einer langfristigen Wertestudie in den USA. 25-30% der AmerikanerInnen lehnen das jetzige System ab und wollen sich für ein neues System einsetzen. Diese neue Lebenshaltung hat noch keine Resonanz in den Medien und in der breiten Öffentlichkeit. Dort regiert das gängige System. Die einzige Chance besteht darin, dass die Kunst mit Bildern und Symbolen diese Lebenshaltungsänderung begleitet.

Aus meiner Sicht hätte auch die Kirche, wenn sie im ungetrübten Fahrwasser eines Jesus von Nazaret unterwegs ist, die Aufgabe, mit ihren Bildern, Ritualen und Gleichnissen hier an einer Metanoia, an einer Umkehrbewegung mitzuwirken. Sich genau für diese Arbeit die selbstgebundenen Hände frei zu machen, würde viele Menschen heute begeistern und auch vielen helfen.

Dass allerdings die Chance auf eine grundlegende Änderung gering ist, zeigt das laufende Bemühen, die Katastrophe von Japan  in den Atomkraftwerken auf vergangene Fehler zu begründen, indem behauptet wird, dass die Bauvorschriften nicht eingehalten wurden ( http://science.orf.at/stories/1678730 ). So könnte man zu dem Schluß kommen, dass nicht nur die Wahrscheinlichkeitsrechnung nicht funktioniert hat, sondern aus einer „besseren Vergangenheit“ (durch Fehler heute verbessert)  sich liniear eine bessere Zukunft ergibt.

Fragezeichen!