Drei Mal bete ich anders

Es gehört für mich zu den tragensten Erfahrungen, wenn wir in der Kirche ins gemeinsame Gebet einschwingen, alle miteinander. Das ist wie ein konnektives Atmen. Byung-Chul Han beschreibt in seinem Buch „Das Verschwinden der Rituale“ genau diesen Verlust an Zusammengehörigkeit, gemeinsamen Hinhören und Artikulierens, wenn das wer  nicht kennt. Deshalb bete (und singe) ich gerne in Gemeinschaft.

Natürlich denke ich nicht jedes Wort mit, das ich gerade betend dahinsage. Und doch geht mir so mancher Text der schon älteren Gebete nicht einfach über die Lippen. Da sperrt sich etwas, „weil es nicht stimmt, nicht stimmig ist“, was wir da in der Gemeinsamkeit verbunden sagen. Deshalb habe ich seit längerer Zeit für mich „Abweichungen“ gelernt, die aber ziemlich genau in den gemeinsamen betenden Atem und Klang passen. Dreimal weiche ich bewusst ab.

Wenn wir beim Glaubensbekenntnis nach der zu bekennenden Jesusgeschichte zum heiligen Geist kommen, dann ist es nur ein Wort. „Ich glaube an den heiligen Geist, IN der heiligen katholischen Kirche …“. Ich bekenne damit eine „heilige, heilende Kirche“, weil in ihr der heilige Geist wirkt, wirken kann, wenn man ihn lässt. AN die Kirche kann ich so nicht glauben, weil sie im Laufe der Geschichte eine Körpersprache angehäuft hat, die den jesuanisch-christlichen Duktus zu oft verlassen hat und jetzt auch noch immer verlässt. Ich vertraue und glaube, dass der heilende Geist in ihr wirksam werden wird und alle Verkrustungen, Verfassungsfehler (Beispiel: Ungleichbehandlung der Geschlechter) und alles selbstreferentielle Statusgehabe eliminieren kann auf Liebe, Kompassion und Empathie hin.

Dann kommen wir zum Vater unser. Manchmal bete ich Mutter unser oder Vater, Mutter unser. Das ist aber nicht das kontinuierliche Anders. Wir stehen auf und beten in der empfangenden Haltung,  mein Fundamentalgebet, das immer und überall geht, mitgeht. Wir kennen diesen gemeinsamen Klang des Gebetes. Und dann kommen wir dorthin, wo ich dann so bete: „…wie auch wir vergeben unsern Schuldigern. Und führe uns IN DER Versuchung, UND erlöse uns von dem Bösen…“ Vater und Mutter führen „uns nicht in Versuchung“, so auch Gott nicht. Ich bitte darum, dass ich, dass wir in den Versuchungen geführt werden. Selbst beim Singen geht sich dieser neue „Text“ bei allen Melodien aus.  Im gegenseitigen Friedensgruß sichern wir uns eigentlich auch zu, dass wir einander helfen, einander führen, wenn wir „versucht“ werden.

„Herr, ich bin nicht würdig, dass du eingehst unter mein Dach, aber sprich nur ein Wort, so wird meine Seele gesund.“ So beten wir normalerweise vor dem Kommunionempfang in Erinnerung an den Besuch Jesu beim Hauptmann von Karfarnaum. Dort hat Jesus einen Mitarbeiter des Hauptmannes geheilt. Bei mir schwingt allerdings eine devote Untertänigkeit mit, weil für 99% die Geschichte nicht mitschwingt. Deshalb fallen auch viele auf die Knie. Pfarrer Hans Wührer hat vor dem Gebet zu allen in der Kirche bei der Hochzeit meines Neffen gemeint: „Wir sind würdig.“ Ja, durch die Gnade der Taufe. Mein kollektives Mitbeten geht so und schwingt einfach mit den anderen mit: „Jesus, mach mich würdig, dass du eingehst unter mein Dach, und sprich …“

Ich lade ganz einfach ein: Ausprobieren. Es geht. Und ich bekenne weiter, dass damit nicht alle anderen Texte der Gebete passend sind für das Welt- und Menschenbild Jesu.