Es will aus mir heraus

In die Lebendigkeit springen„Warum sich als Christin oder Christ engagieren?“ Das war die Why-Frage auf Zoom. Frauen und Männer haben sich eingefunden, denen eine „neue Kirche“ ein Anliegen ist. Ganz konkret. Eine Folge der Präsentation meines Anpacken-Buches vor einigen Wochen. Ein zweiter Abend: „Warum, wozu und wofür sich selbst, Zeit und Energie einbringen“?

„Ich will etwas Sinnvolles tun, Menschen begegnen, mein Können und meine Erfahrung einbringen.“ Eine Frau ist auf der Suche nach „einem Ort, wo das gut möglich ist“. Sie vermutet, dass die Pfarre ein förderlicher Ort dafür sein könnte. Sicher ist sie sich nicht, ob sie Gemeinschaft, einen persönlichen Austausch, Spiritualität und Platz für die tiefen Sinnfragen des Lebens findet.

Lebendigkeit welkt

„Früher war unsere Pfarre ein lebendiges Miteinander, die Pfarre hat geblüht. Heute wird alles weniger und welkt dahin.“ Ein Mann sieht im zweiten Hinschauen, dass durch einen Pfarrerwechsel die Offenheit und das Vertrauen verschwunden ist. „Es geht nur mehr um die Erhaltung der äußeren Rituale, Formalitäten und Verwaltung.“ Es wird auf der Ebene der Normen, Gesetze und der Institution, die amtliche Kirche „gespielt“. Schon lange wissen wir, wer diese Ebene in den Vordergrund rückt, ist auf verlorenem Posten. Wer die Ebene der Normen nicht heben kann auf die Höhe der „gelebten Werte, lebendiger Rituale und solidarischer Zugehörigkeit“, müht sich umsonst in selbstgefälliger Instituionalität.  Wer sich hinter der Institution verschanzt, bleibt ungehört. „Früher wurde uns etwas zugetraut, es war eine föderliche Grundhaltung spürbar und die Pfarre ein Ort der Lebendigkeit.“ Das „Why“ des in vielen sozialen Feldern engagierten Mannes blieb hingegen unverändert. „Es will aus mir heraus und das braucht einen Ort, wo es sich zusammen mit anderen verwirklichen kann.“

Was machen wir gerade falsch?

„Um die Armen kümmern, Liebe in die Welt bringen, heilsam sein, lehren und verkünden und mit dem eigenen Leben immer wieder Antwort geben aus dieser Gottesbeziehung.“ Das wurde in der Breakout-Session als tiefstes Why formuliert. Im Plenum wurde es nochmals kürzer versucht: „Der Liebe von Gott her mit dem Leben eine Antwort geben.“ Wir verständigen uns, dass das anziehenste Why immer über Personen kommt (oder eben nicht), über Erzählungen und postive Erlebnisse. In de Breakouts haben wir uns die einander erzählt. Wo solche „begeisterte Personen“ fehlen, ihnen kein Raum, kein Freiraum, kein Platz eingeräumt wird, bekommt die „Verwaltung“ die Oberhand, das Institutionelle, das Klerikale, schließlich die Ängstlichkeit. Was machen wir falsch? – fragt ein schon erfahrener Seelsorger etwas betroffen. Eine Gesprächsteilnehmerin beginnt recht spontan mit der Aufzählung der Knackpunkte: Missbrauch und der Umgang damit, die Frauenfrage wird dauernd „zerredet“ und eine schier unendliche Selbstverliebtheit, Selbstbezogenheit, ein tiefer Narzismus der Amtsträger. Drei Beispiele, die gleich da sind. Genau das suchen Menschen heute nicht. Und zu oft wird noch versucht, „etwas in die Leute hineinzulegen, sie zu indoktrinieren, prägend einzustempeln“. Dabei ist klar: Gott war vor dem Missionar da.

Neu aufblühen

Das führt uns in den Überlegungen wieder zurück zur „intrinsischen Motivation“ für ein Engagement: „Es will aus mir heraus und dafür suche ich einen Platz, wo ich das gut verwirklichen kann im Dienste und als Aufgabe für das Gemeinsame, beispielsweise die Pfarre.“ Aristoteles kommt mit seiner Sicht der Berufung in den Zoom-Raum: „Wo sich deine Talente mit den Bedürfnissen der Welt kreuzen, dort liegt deine Berufung.“ Wenn Pfarren und kirchliche Knotenpunkte sich als offene, weit geöffnete und hellwache „Kreuzungspunkte für diese Berufungen“ verstehen, kann das Leben (neu) aufblühen. Genau in diese Richtung wollen wir gemeinsam weitergehen.