Ich liebe dich so wie du wirst…

Nachdem ich auf die Hochzeitspredigt für Astrid und Alexander oftmals angesprochen wurde, möchte ich sie spät aber doch auf diesem Wege zur Verfügung stellen:

Liebe Astrid und Alexander,
liebe Hochzeitsgemeinschaft!

Ich hatte im Gymnasium einen recht strengen und konsequenten Physikprofessor, der auch in der Sprache sehr genau war. Er hat uns damals neben den Physikversuchen auch Lebensweisheiten beigebracht. Es heißt nicht: „Sie lieben sich.“ Sondern: „Sie lieben einander. Sonst liebt sich jeder nur selbst.“

Öfters habe ich selber schon gehört, wenn wir auseinandergegangen sind und jemand eine gewisse Wertschätzung zum Ausdruck bringen wollte, dass der oder sie sagte: „Bleib so wie du bist.“

Wenn man diese Aussage allerdings recht genau nimmt, ist das eine feine Drohung. Bitte, bleib so wie du bist und verändere dich nicht mehr.

Beide gut gemeinten Aussprüche – Sie lieben sich und Bleib so wie du bist – signalisieren für mich etwas Abgeschlossenes, in sich Gekehrtes und etwas Stehendes.

Euer Spruch auf der Einladung denkt da in eine ganz andere Richtung. Der Spruch steht auch als Deutung des Sakraments der Ehe am Pilgerpfad auf der Hirschalm. „Ich liebe dich so wie du wirst!“

Da steckt Offenheit drinnen, Platz für Überraschendes. Da schwingt aber auch viel Verbundenheit und Treue mit durch all die Tage des Lebens. So wie ihr es auch einander versprechen werdet. Ihr baut auf diese Offenheit und diesen Magnetismus zueinander.

Ihr habt uns ja erzählt, wie ihr die Einladung gebracht habt, wie ihr „zusammengekommen“ seid. Ihr habt die „Zufälle“ benannt. Es ist euch zugefallen, dass ihr euch nie aus den Augen verloren habt. Ihr habt geschildert, wie ihr euch den Freundschaftsring geschenkt habt. Es ist schön und wir freuen uns alle, dass ihr heute beim Ehering angelangt seid.

So habt ihr Schritt für Schritt zu eurer Einstellung und zum Vertrauen zueinander gefunden: Ich liebe dich. Und ich liebe dich so, wie du wirst.

Mit eurer Geschichte zur Lesung deutet ihr auch an: Das Glück, das Leben liegt nicht irgendwo anders, sondern bei und in euch selber, dort wo ihr steht, wo eure Familie ist, wo ihr arbeitet, euch mit Freunden trefft, wo eure Füße den Boden berühren, hier und jetzt. Da liegt das Glück.

Mit der Stelle aus der Heiligen Schrift, wo Jesus eine Anfrage der Schriftgelehrten, der damaligen gesellschaftlichen Elite,  nach dem wichtigsten Gebot unmissverständlich mit dem Kern seiner Botschaft beantwortet. Liebe Gott und deinen Nächsten wie dich selbst.

Ich sehe diese „Trinität der Liebe“ – die Gottesliebe, Nächstenliebe, Selbstliebe – als Basis für alles. Wer die Offenheit in diese drei Dimensionen behält, lebt!

Wenn Ehe gelingen will, dann braucht es diese dreifache Offenheit: Auf Gott hin, von dem uns alles Leben entgegenkommt. Auf den konkreten Mitmenschen hin, wo Leben gemeinsam wachsen kann,  und auf sich selbst hin.

Wenn diese Trinität der Liebe das Vorzeichen in unserem Leben ist, dann versteht man auch den Ausspruch des Hl. Augustinus: Liebe und dann tu was du willst. Deshalb eröffnet die Ehe, diese tiefe Entscheidung füreinander, erst den Raum für wirkliche Freiheit.

Deshalb ist es auch falsch, wenn wir sagen: Sie haben die Ehe geschlossen. Es muss heißen: Ihr eröffnet heute die Ehe und wir freuen uns mit euch und sind deshalb da. Nicht, weil etwas geschlossen wird, sondern weil etwas eröffnet wird.

Der eine oder andere wird vielleicht schon fragen: Das sind aber hohe Gedanken. Das mag sein. Aber so wie wir die Dinge denken, so werden sie. Und deshalb ist es wichtig, groß und weit zu denken. Das hat auch Jesus gemacht. Er hat den Menschen mit seinen Geschichten und mit seinen Ideen das Leben geweitet, geöffnet. Er hat sie geheilt, heil gemacht. Die Beziehung zu ihm als Christen speist unser Urvertrauen dem Leben und Menschen gegenüber.

Der Alltag braucht deshalb Zeichen, damit die Trinität der Liebe nicht verloren geht. Die Eheringe, die Hochzeitskerze, Bilder von der Hochzeitsfeier, ein Ritus der Erinnerung an diese große Option, Zeiten des Gebetes, des gemeinsamen Essens, echte Freunde, die einem helfen beim Weiterwachsen.

Ihr habt auf eurer Einladung dieses Bild vom Herzen auf der Birke. Das Herz ist ganz, der Baum wächst weiter. Es wird, nicht es ist. Es wird umgeformt, weil Wachstum hinter unserem Leben stattfindet. Das ist die Idee Gottes, dass wir mit ihn mitwachsen – in der Liebe.

Deshalb taugt mir euer Spruch, der im Endeffekt auch heißt: „Wachsen wir mit hinein in das, was wir gemeinsam werden.“

Ich schenke euch dieses Taschenmesser und ermutige euch, an dem einen oder anderen Baum Zeichen eurer Liebe einzuritzen. Nicht deshalb, dass etwas eingeritzt ist, sondern dass ihr immer wieder einmal schauen könnt, was daraus geworden ist. So erinnern euch diese „Ritzereien“ an die Dynamik der Liebe und eures Werdens. Das Wachstum des Baumes wird vielleicht die eine oder andere Ritzerei auch zerreißen. Das erinnert euch wieder an das anders werden.

In allem, was wird, entsteht, wächst oder vergeht, dürft ihr immer glauben, ja wissen:
Gott geht eure Wege mit. Amen.

[Kirchschlag, 8. September 2012]