Wien wird anders. Weniger Pfarren und mehr Gemeinden

Gestern war mir hier in Wien erstmals kalt . Das hat aber ausschließlich mit den äußeren Lufttemperaturen zu tun. Gespürt habe ich sie beim Medienempfang von Kardinal Schönborn unter den Arkaden. Zuvor wurde im Festsaal ein großer Wurf verkündet. Schon im internen Newsletter ist zu lesen: Ein echter Neubeginn durch den diözesanen Erneuerungsprozess.  Die Kathpress hat im Teaser das so zusammengefasst: „Statt bisher 660 Pfarren künftig weniger aber größere Pfarren mit einzelnen Filialkirchen – Gemeinsame Leitungsaufgaben von Priestern und Laien – Schönborn: Kirche ist nicht nur dort, wo ein Priester ist.“ Die anwesenden Medienleute waren eher skeptisch und fast ein wenig ratlos, weil es zu dieser Veränderung zu wenig „Detailkarten“ gibt. Auf die Frage: Wie wird das konkret umgesetzt? erntet man eher noch ein Stück Ratlosigkeit bzw. komplexe Erklärungen. Dietmar Neuwirth von der Presse hätte im Gespräch mit Andrea Geiger auch noch mehr erfahren wollen. Und im Gespräch mit Markus Rohrhofer vom Standard war auch zu spüren, dass konkretere Informationen notwendig wäre. Das erinnert mich an meine Österreichdurchquerung, wo ich am vierten Tag in Bayern keine Detailkarte hatte und so in der Bezirksmüllhalde gelandet bin. Ab diesem Zeitpunkt ist mir klar: Es genügt nicht, die Weitwanderweg-Karte zu haben. Die gibt Überblick. Es braucht für den konkreten Weg auch die Detailkarte. Oder wie heißt es so schön: „Der Teufel steckt im Detail.“

Größte Strukturreform seit 200 Jahren

Kardinal Schönborn hat mit einigen Grundsätzen begonnen. „mission first“ war mir schon vertraut und das wünsche ich mir auch. Christen sind Menschen des Dialogs, der empathischen Aufmerksamkeit und der helfenden Hand. Wenn du predigen gehst, dann ist das Gehen Predigt. In jedem Fall nicht Rückzug ins „Eigene“ oder Heilige, sondern hinaus zu den Menschen, mitten unter den Menschen. „Alle Getauften sind ermächtigt“, war eine weitere Ansage. Das hat zwar auf Twitter den @freidenker veranlasst, mir zurückzuschreiben, dass es in der Kirche nicht um Macht geht. Ich denke schon, nämlich im Handeln für die Menschen. Es geht um die dienende Macht, etwas zu bewirken.  Das war doch auch das Programm von Bischof Aichern in Linz: Ermutigung und Ermächtigung zum Tun. Und das für Priester und Laien, in breitest möglichen Raum des Kirchenrechtes. Die Zukunft wird noch zeigen, dass der Linzer Weg ein Weg in die Zukunft war. Breite Verantwortung aus dem gemeinsamen Priestertum. Solche Orte braucht auch Wien. In diesem Sinne wird sich hoffentlich nichts ändern. Hier kann auch mal in Linz nachgeschaut werden und die Erfahrung mit den verschiedenen Leitungsmodellen (PfarrassistentInnen, Seelsorgeteams,…) eingeholt werden. Der Mensch sucht Hilfe und geht in die Pfarre. Diese Liste könnten wir fast unendlich weiterführen. Weniger Pfarren und mehr Gemeinden. Wie gesagt: Die Detailkarte fehlt noch.

Die Ordensgemeinschaften als (geistliche) Zentren

In den letzten Tagen wurde auch damit begonnen, die Ordensgemeinschaften in alle Überlegungen einzubinden. Das ist auf der einen Seite dringendst notwendig und auf der anderen Seite auch anregend. Gerade das Faktum, dass auch die Ordensgemeinschaften und Stifte selber das Problem haben, zu viele Mitbrüder und Mitschwestern in den Pfarren zu haben. In Wien werden 48% der Pfarren von Orden betreut. Das ist ja nicht Nichts. Ich sehe das als große Chance, dass gerade auch in der Öfffentlichkeit noch viel mehr in die Menschen „einsickert“, dass Ordensgemeinschaften geistliche Zentren sind. Und genau die Vielfalt der Ordensspiritualitäten bildet ein weites und breites „Anreizpanorama“ für KatholikInnen,  Interessierte und Suchende. In diesem Zusasmmenhang muss betont werden, dass die geistlichen Zentren der Frauenorden in der öffentlichen Wahrnehmung unterschätzt werden. Auch wenn wir in den letzten Jahren von Bischöfen immer wieder gehört haben, dass es in der Kirche zu viel um Strukturen geht (der Blick war meist nach Linz gerichtet), so erleben wir heute, dass die Erzdiözese auf die nächsten 10 Jahre die Strukturreform in die Mitte gerückt hat, gewollt oder ungewollt. Menschen werden nach wie vor geboren und suchen eine persönlich gestaltete Taufe. Sie sterben und haben ein persönlich gestaltetes Begräbnis verdient. Sie wollen zur Erstkommunion oder Firmung und das braucht Hinführung und konkrete Vorbereitung. Wenn das Ja-Wort ansteht, dann tun das hoffentlich auch in Zukunft viele in der Kirche und verstehen das als Bund fürs Leben. Gottesdienst ist immer Erinnerung an unsere tiefe gemeinsame Berufung als Volk Gottes.