It’s always competition: No!

Mit großem Gewinn habe ich in den letzten Tagen das Buch von Frans de Waal „Das Prinzip Empathie“ gelesen. Schon der Untertitel „Was wir von der Natur für eine bessere Gesellschaft lernen können“ besagt, dass in großem Maße das Verhalten von Tieren für den Menschen Ansporn sein kann, seine angeborene Fähigkeit und Kraft zur Empathie, zum gegenseitigen Mitgefühl wieder mehr zu entdecken. Nicht der dauernde Wettbewerb wird uns retten, sondern das tiefe Empfinden und Einstehen füreinander. Was Tiere können, ist der Mensch dabei, außer Acht zu lassen.

Überall Wettbewerb

Janne Teller und andere Experten haben beim Symposium in Gmunden darauf hingewiesen, „dass der Mensch heute sich in einem dauernden Wettbewerb befindet.“  Das schätzen sie als ungesund ein. Überall geht es darum, besser und schneller als der andere zu sein. Marketing-Experten sprechen sogar von einem Art „Spermien-Verhalten“: Schnell, schnell, damit man der erste ist bei der Eizelle. Auch in der Wissenschaftswelt wird das zum Großteil immer wieder behauptet: Wir stehen in einem dauernden Wettbewerb der Besseren. Die Wirtschaftspolitik hat sich in letzter Zeit ja auch darauf konzentriert, Regionen und Wirtschaftsräume mittels „Studien“ zu vergleichen. Ziel: Lernen von den Goldmedaillengewinnern. „Oberösterreich liegt nur auf Platz 7“ – klingt es dann  aus dem Radio und ich kann nicht genau sagen, welcher Wettbewerb gerade gelaufen ist. Die Antwort lautet in jedem Fall: Wir müssen unter die ersten 3 kommen.  Es geht also immer um Platz 1. Das ist das Paradigma.

Empathie bei den Tieren

Frans de Waal weist nach, dass unter Tieren (Affen, Vögel, Elefanten,…) viel mehr Kooperationsverhalten und gegenseitige Hilfestellung da ist, als wir gemeinhin glauben. Gerade das falsch dargestellte Darwin‘sche Prinzip  – der Stärkere setzt sich durch – verdirbt in dieser Richtung unser Wahrnehmung. De Wall schildert Elefanten, die gemeinsam auf erstaunliche Weise ein Junges aus einem Schlammloch retten oder einen Sterbenden noch unbedingt füttern wollen. Eine Katze geht durch das Altersheim und legt sich zu jenem Bewohner, der als nächstes sterben wird. 25 Personen hat so dieser Kater beim Sterben begleitet. Unzählige Beispiele von Empathie  sind erzählt. Oft werden diese Beobachtungen als „Anekdoten“ abgetan.  Persönlich finde ich es spannend, dass dieses Verhalten unter Tieren durch Vorbild und Imitation gelernt wird. Dazu braucht es immer Körperkontakt und unmittelbare Nähe.

Körperliche Nähe ist entscheidend für Empathiebildung

Heute sehen wir, dass Menschen zwar unendlich viel kommunizieren, sich aber immer weiter voneinander entfernen. Nachahmung (hin zu Empathie) verlangt eine Identifikation mit einem Körper aus Fleisch und Blut. Unser Gehirn ist nicht wie ein kleiner Computer, der den Körper herumkommandiert, vielmehr ist die Körper-Gehirn-Beziehung eine Zweibahnstraße. Der Körper ruft innere Empfindungen hervor und kommunziert mit anderen Körpern: Auf diese Weise erarbeiten wir soziale Bindungen und eine Einschätzung der uns umgebenden Wirklichkeit.  Das Forschungsfeld der verkörperten Kognition steckt noch in den Kinderschuhen, ist aber von weitreichender Bedeutung für das Verständnis menschlicher Beziehung.  Da sind wir allerdings in der Realität ganz woanders. Menschen kommunizieren digital und dabei – so scheint es – spielt die körperliche Nähe keine Rolle. Wahrscheinlich ist die (immer größer werdenden) körperliche Distanz unter den Menschen ein wesentlicher Grund, warum das Empathie-Verhalten nicht mehr voll entfaltet wird. Wo körperliche Nähe, dort ist die Chance zur Empathie und dem wettbewerbslosen Dasein am größten.

Den Körper aufwärmen

Bei unseren Chorproben gibt es zu Beginn das „Aufwärmen“ oder „Einsingen“. Das bedeutet, dass wir einander massieren und den Rücken abklopfen. Körperliche Nähe, die nicht jeder wünscht. Und doch empfinde ich es als eine Wohltat, dass wir uns zuerst körperlich näher kommen, bevor wir unsere Stimmen zusammenlegen zu einem Lied. Es besteht die Chance, dass selbst unser Gesang ein empathisches, strahlendes und leuchtendes Miteinander wird und nicht nur eine Aufführung oder Darbietung. Es geht gerade hier um keinen Wettbewerb, sondern um das gemeinsame Hineinfühlen in die Noten und Texte, die durch uns zum Ausdruck kommen. Es bleibt dann doch die Frage, ob wir uns aufwärmen für den Wettbewerb oder für die gemeinsame Empathie, ein tragendes Mitgefühl füreinander.  In der Politik sehe ich, dass alles Aufwärmen dem Macht-Wettbewerb gilt. Eigentlich schade. Im Menschen steckt mehr drinnen, als nur der Erste sein zu wollen oder zu müssen.