bergGEHEN 2011 am Berliner Höhenweg im Zillertal in Tirol


Die Anreise in das Zillertal  ist an diesem Sonntag 24. Juli 2011 nicht einfach: Wider Erwarten Stau auf der Autobahn in Bayern. Das erinnert uns an die recht einfache Alternative, den Ausgangspunkt für diese Bergwoche in den Zillertaler Alpen mit dem öffentlichen Verkehrsmittel anzusteuern: Zug nach Jenbach und Schmalspurbahn nach Mayrhofen. Noch dazu: Das Wetter ist schlicht gesprochen miserabel. Schnee schaut von den Bergen. Unseren ersten „Stützpunkt“ verlegen wir sogleich von der Edel-Hütte ins Tal ins Haus Regina in Mayrhofen.

Unser Plan und wie es tatsächlich kam

Wochenlang stand dieser Plan im Raum und in den 10 Köpfen – die Umrundung des Zillertales am Berliner Höhenweg:
1. Tag: Anreise ins Zillertal und Aufstieg (bzw. teilweise Auffahrt mit Gondelbahn) zur Karl-von-Edel-Hütte (2.238 m).
2. Tag: Übergang zur Kasseler Hütte (2.178 m) – geplante 9 Stunden.
3. Tag: Übergang zur Greizer Hütte (2.227 m) – geplante 5 Stunden.
4. Tag: Übergang zur Berliner Hütte (2.024 m) – geplante 7 Stunden.
5. Tag: Übergang zum Furtschaglhaus (2.295 m) – geplante 6 Stunden.
6. Tag: Übergang zur Olperer Hütte (2.389 m) und weiter zum Friesenberghaus (2.498 m) – geplante 6 Stunden
7. Tag: Übergang zur Gamshütte (1.921 m) – geplante 7 Stunden
8. Tag: Abstieg nach Mayrhofen (ca. 1.200 Höhenmeter) und Heimfahrt.
Ein „ehrgeiziger Plan“ wie manche meinten. Noch dazu war geplant, einige Gipfel „mitzumachen“. Kurz gesagt: Das Wetter hat uns einen Strich durch die Rechnung gemacht: ca. 20-30 cm Neuschnee auf 2.500 m und ab dem 5. Tag Regen und Nebel. Das hat uns 3  wunderbare Bergtage bei kühlen Temparaturen ermöglicht und am 6. Tag den Abstieg nahe gelegt. Und so haben wir schließlich unsere Tour den Umständen „angepasst“ und nehmen trotzdem oder gerade deshalb schöne Erinnerung aus dem Zillertal mit nach Hause. Aber nun der Reihe nach.

Klamm und wunderbare Hüttenwirte

Nach der Übernachtung und Frühstück im Haus Regina (28.- EUR) in Mayrhofen starten wir durch die Stillupklamm ins Stilluptal. Das wärmt uns angesichts der schneebedeckten Berge, die wir gleich am Morgen von oben her zu Gesicht bekommen. Ein Überstieg von der Edelhütte zur Kasseler wäre unter diesen Umständen „äußerst gefährlich“ gewesen. Der Klammweg ist schön angelegt und das viele Wasser neben uns macht jedes Gespräch unmöglich. Außerdem steigen die ersten Schweißperlen auf die Stirn und jede und jeder ist mit der Atmung beschäftigt. Wir kommen auf die schmale Straße und folgen ihr über 15 km bis zur Grünen Wand Hütte (1.473 m). Dort machen wir zusammen mit den letzten „Fahrtouristen“ mittag. Gestärkt geht es einen wunderbaren Weg hinauf zur Kassler Hütte vorbei an der Materialseilbahntalstation. Der erste Blick auf die Hütte zeigt: Wir sind an der Schneegrenze angelangt. Trotz kalter Temperaturen wagen wir eine Dusche im Freien mit kaltem Wasser. Erfrischung pur. Zwei Brüder bewirtschaften auf äußerst persönliche und liebevolle Weise diese Hütte. Die ganze Gruppe wird begrüßt, das Essen aufgenommen, das Wetter und die Wege für morgen professionell erklärt und alles in einer wunderbaren Atmosphäre. Beim Weggehen am nächsten Tag waren wir uns alle einig: Diese Hütte kann was!

Talschlussrundgang und erste „Schneescharte“

Schon der wunderbare Blick am Vortag von der Hütte auf die Lapenscharte (2.701 m) gegenüber hat uns gezeigt: Wir werden dem Schnee begegnen. Das Wetter war hervorragend: Sonne und kühle Temperaturen. Die 10 Bergfreunde waren in jeder Hinsicht „gut beieinander“. Nicht alle waren über eine ganze Woche so hoch oben. Die Greizer Hütte „hinter der Scharte“ ist unser Ziel. Wir erleben einen wunderbaren Tag. Wir umrunden auf fast immer dergleichen Höhe den gesamten Talschluss und steigen dann etwa 500 Höhenmeter auf zur Scharte. Die schneebedeckten Steine haben unsere ganze Aufmerksamkeit verlangt. Den „Schneeweg über die Scharte“ haben wir gut gemeistert. Die Kasseler Hüttenwirte haben uns gesagt: Das geht gut – trotz Schnee. Und es ist wirklich gut gegangen. Der Abstieg auf die Greizer Hütte hat einigen gezeigt, dass „ihr“ erster 3.000-er (Gigalitz) wegen der Schneelage nicht zu machen ist. Schweren Herzens machen wir ein „Gipfelfoto“ bei der Abzweigung. Die Greizer Hütte emfängt uns wieder sehr gastfreundlich. Mit einigen Gästen sind wir schon bekannt. Eine Gruppe von Engländern ist 14 Tage am Berliner Weg unterwegs. Sie verbringen immer zweit Tage auf einer Hütte. Gletscher lachen uns von überall her an und die Sonne mit ihren Wolken ist unsere Begleiterin. Es schaut sehr gut aus und „alle sind gut bei Fuss“.

Hinunter – hinauf – hinunter und eine unglaubliche Berliner Hütte

Schon am Vortag haben wir unseren Abstieg von 400 Höhenmeter und Aufstieg über 1.300 Höhenmeter (also mehr als einen Traunstein) zur Mörschenscharte (2.872 m) vor Augen gehabt. Der 3. GEH-Tag ist aus meiner Sicht immer geprägt vom „Beisammen-Bleiben“. Auch wenn die Geschwindigkeit  der Gruppenteilnehmer noch so unterschiedlich ist, hat es sich bewährt, gemeinsam den Aufstieg zu meistern. Die einen ziehen und die anderen hängen sich an, mental gemeint. Das gibt Kraft. Da ist man für die einen der „Bremser vorne“ und für die anderen der „Ermutiger am steilen Weg“. Am Weg über die Scharte stapften wir manchmal bis an die Knie im Schnee. Der letzte steile Teil war mit Seil gut versichert. Genau auf der Scharte machen wir ein Foto – mitten im Winter. Mit einer wunderbaren Rundumsicht werden wir belohnt. Wir steigen etwa 1 1/2 Stunden ab und kommen zum Schwarzensteinsee. Die Sonne verleitet zwei MitgeherInnen zum Hineinspringen und wegen der arktischen Wassertemperatur zur schnellen Seeflucht: Erfrierungsgefahr. Wir alle rasten am von der Sonne aufgewärmten Stein und liegen fast eine Stunde in der Sonne. Der weitere Abstieg zur Berliner Hütte zeigt, dass wir hier einen alten Weg begehen. Wir sind wirklich überrascht von der Größe der Berliner Hütte und der Architektur. Der Empfangsraum großzügigst und der Speiseraum hat eine Höhe von fast 5 m. Ein eigener „Damen-Salon“  zeigt von der großen Geschichte der einst größten Hütte der Alpen. In den 20-er Jahren hat ein Hüttenwirt, der auch Architekt war, Spuren hinterlassen. Wir studieren die Geschichte und genießen die Zeit. Eine Frage ist immer wieder im Raum: Wie wird das Wetter morgen?

Nur heißt es improvisieren: Nicht Aufstieg, sondern Umstieg

Sehr gut geschlafen. Weckerläuten um 5.30 Uhr. Frühstück um 6 Uhr. Wir wollten das prognostizierte „bessere Wetter am Vormittag“ noch nutzen für den Aufstieg zum Schönbichler Horn (3.134 m) und Übergang zum Furtschaglhaus. Es kam anders: Nebel und Regen. Wir frühstücken doch um 6 Uhr und warten dann bis 8 Uhr. Es wird nicht besser. Was tun? Ein Aufstieg in den Nebel und Schnee kommt für uns nicht in Frage. Wir kreiren eine neue Route: Abstieg zur Breitlahner-Hütte, Fahrt mit dem Bus zum Schlegeis-Speicher bzw. zur Dominikus-Hütte und von dort steigen wir auf zum Friesenberghaus. Gesagt und genauso getan. Bei unserer Rast auf der Breitlahner Hütte regnet es, ebenso bei der kurzen Busfahrt. Wir steigen aus dem Bus und die Sonne scheint kurz. Dann „ziehen“ wir in 2 Stunden die 800 Höhenmeter hinauf zum Friesenberghaus, begleitet von Nebelschwaden und kurzen sonnigen Momenten. Gut gelaunt betreten wir unsere höchst gelegenen Unterkunft. Der Hüttenwirt hat uns „überholt“ und oben gemeint: „Ihr gehts guat.“ Balsam auf die Seele. Ich freue mich, dass wir diese Hütte als Stützpunkt haben, ein wichtiger „Zeitzeuge gehen Hass und Gewalt“. Die Hütte wurde von der Sektion Alpenland (jüdische Alpenvereinsmitglieder, die 1928 aus dem AV in Berlin und Wien ausgeschlossen wurden haben sie darin wieder zusammengetan) 1928-30 erbaut. Heute steht ein Mahnmal vor der Hütte. Jeder Stuhl in der Gaststube trägt auf der Rückseite den Namen von ermordeten Sektionsmitgliedern. Ganz wenige nur haben die NS-Zeit überlebt. Nachdenklichkeit und ein schöner gemeinsamer spielerischer und lustiger Abend beschließt den Tag der Improvisation.

Vor dem Ziel ins Tal abgebogen

Die letzte Rund „Liagn“ (Lügen) am Vorabend hat die Frühstückszeit ergeben: nicht 7 sondern 1/2 8. Wir hätten es nicht „ausliagn“ müssen, weil aufgrund der Höhenlage ohnehin alle früher wach waren. Das Wetter war nicht gerade sonnig. Nebelschwaden und Regen halten uns aber nicht ab, die anberaumten 7-8 Stunden auf die Gamshütte anzugehen.  Der wunderbar angelegte und geführte Weg war gut begehbar. Die beiden ersten Stunden waren vor allem auf nassem Stein vorsichtigst zurückzulegen. Dann wurde der Weg immer „gatschiger“. Und der Regen hat das alles noch verschärft. Wir erinnern uns an die Wegbeschreibung mit dem Wort „ACHTUNG: Bei Nässe Rutschgefahr“. Das verleitet uns nach einem  gemütlichen Aufenthalt (mit kurzen sonnigenAbschnitten und wunderbarem Panoramablick) auf der Pitzenalm trotzdem zur Entscheidung: Abstieg ins Tal. Ich telefoniere mit der Hütenwirtin von der Gamshütte und sie kann das sehr gut verstehen, dass wir nicht mehr kommen. Um 16 Uhr sind wir nach 7 Stunden GEH-Zeit in Rauth südlich von Ginzling bei der Bushaltestelle. Von dort transferieren wir uns nach Mayrhofen und weiter zurück nach Oberösterreich nicht ohne noch gemeinsam bei einem guten Abendessen die Tage am Berliner Höhenweg zu beschließen.

Fest steht:
Wir werden und müssen wieder kommen, um die „ausgelassenen Scharten, Berge und Hütten“  kennen zu lernen.

1 Kommentar

    • Klaus Kapeller auf 31. Juli 2011 bei 17:14

    Danke Ferdl für den Bericht.

    Als Fast-Mitglied bin ich beeindruckt von den Bildern, der Geschichte und natürlich Euren Leistungen – da habe ich einiges versäumt.

    Vielleicht klappt es beim nächsten Mal und ich bin dabei
    Klaus

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