Less ist einfach weniger

all you need is lessAll you need is less. Das ist der Buchtitel. Manfred Folkers und Niko Paech schreiben über die „Kultur des Genug“ aus ökonomischer und buddhistischer Sicht. Wer tiefer schauen und die tiefer zugrundeliegenden Zusammenhänge und Dynamiken verstehen will, sollte darin lesen.  Ein fragmentarischer Zugang.

Wer aus christlicher Perspektive die Welt betrachtet, wird sich in diesem Buch genauso finden. Gerade die Lebenshaltung entlang der evangelischen Räte „einfach gemeinsam wach“ begründet sich im Lebensbeispiel Jesu und in der christlichen Mystik. Die ausufernde Dynamik des „Immer-Mehr vom Immer-Gleichen“ wiederspricht der menschlichen Freiheit, die im Weniger, im Wesentlichen und im Verzicht liegt. Wobei ich statt Verzicht lieber „Befreiung vom Konsumschrott“ spreche.  Auch aus buddhistischer Sicht liegt unserer Konsumwirtschaft die Gier-Ökonomie zugrunde mit den drei Antreibern  Mehrungsprinzip, Wettbewerbsdruck und Folgenleugnung. Papst Franziskus hat in #LaudatoSi den entscheidenden Satz (wieder einmal) gesagt: „Alles ist mit allem verbunden.“ Der Wandel hin zum sozial-ökologisch-spirituellen Welt- und Menschenbild muss gelingen, meint Franziskus. „Genug, zufrieden und achtsam“ sind die Keywords aus der buddhistischen Sichtweise.

Brauche ich nicht

Der Konsum nimmt rechnerisch zu und verunmöglicht damit ein Einzutauchen in das Jetzt der Dinge und Begegnungen. Es ist eher ein „Gleiten und Surfen auf einem Ozean der Möglichkeiten“. Für das Verweilen und absichtsfreie Begegnen bleibt kein Platz, ist keine Zeit, fehlt die Aufmerksamkeit. Nach Niko Paech, den ich in Wien persönlich getroffen habe, gerät gerade die Balance zwischen horizontaler Vorwärtsbewegung und vertikaler Vertiefung aus den Fugen. „Diese Beschleunigungsdynamik mündet irgendwann in ein Stadium ein, in dem Konsum-, Mobilitäts- und Erlebnissteigerung nur noch den Charakter eines Beweisfotos haben, um zu signalisieren: Das gehört mir. Das habe ich erlebt. Dort bin ich gewesen. Mit dem oder der habe ich mich getroffen. Das zeichnet mich aus.“ Damit markiert der Mensch seine soziale Position und stellt sein Leben in einen bedeutungsschwangeren Bedeutungsrahmen. Wohlstandstropähen werden angehäuft, um dem anderen zu zeigen, dass ich „mehr“ bin.  „Wenn Konsum zum flüchtigen Überkonsum  degeneriert, kehrt sich die durch ihn angestrebte Wirkung ins direkte Gegenteil um.“ Der Verlust von tiefer Identität und verbundener Individualität geht in der alles gleich machenden Wohlstandmaschiene verloren. Antidepressiva wurden noch nie so viele „konsumiert“ wie in den Tagen der Wohlstandsverstopfung und Entwertung der Dinge und Begegnungen im flüchtigen Dahingleiten. Suffizienz ist das Wort, die Lebenshaltung und Praxis. Zeitknappheit entwertet das Jetzt. Das Viele, das Mehr lässt nicht mehr verweilen, nicht mehr wirklich genießen, nicht mehr leben und einfach atmen.  „Der Konsum“ als zentrales Heiligtum der Moderne hat sein Ausmaß überschritten. Suffizienz meint die Kunst der Unterlassung und bewussten Verneinung. „Brauche ich nicht“, dürfen wir öfter sagen und wagen.