Pilgern kann die Seele heilen

vo_1In der Weihnachtspost war heuer ein Brief, der die „Geda(e)nken“ enthielt. Das ist der Rundbrief für trauernde Eltern. Darin fand ich auf Seite 7 den Erfahrungsbericht von Uli, die mit uns 23 im Oktober von Waldsassen bis ins Kloster Volkenroda mit gepilgert ist. Sie hat 2009 ihren 20-jährigen Sohn durch einen Bergunfall verloren. Sie ist immer noch tief erschüttert, wenn sie an ihren Sohn denkt. Ihre Erfahrungen mit uns auf der Via Porta hat sie anderen trauernden Eltern und Geschwistern im Nachhinein so geschildert.

Meine Pilgerwanderung

„Ich bin bereits über eine Woche wieder daheim und habe ganz schon mit der Umstellung vom Wandern auf meinen Alltag gekämpft. Wir waren 23 Teilnehmerinnen, davon zwei Ehepaare. Ich habe bezüglich Teilnehmer und Gemeinschaft keinerlei Erwartungen gehabt, habe mir immer gedacht, schlimmer als die Erfahrungen nach dem Tod meines Sohnes kann es nicht werden. Dass die Gemeinschaft dann aber so schön werden würde, habe ich nicht zu hoffen gewagt.  Es war eine gegenseitige Fürsorge und Anteilnahme vorhanden, die ich so nicht nie erlebt habe.

vo_2vo_2vo_21vo_7Wahrscheinlich pilgern nur Menschen mit bestimmten Einstellungen und irgendwie wurde mir dann währender der Woche auch bewusst, dass jede und jeder von uns einen mehr oder weniger großen „Rucksack“ zu tragen hat. Schön war für mich auch, dass unser verstorbener Sohn von  Anfang an mitgehen durfte. Ich habe mich sozusagen gleich „geoutet“, dass ich meinen Sohn verloren habe und dies der Grund ist, warum ich an diesem Weitwandern teilnehme. Und er war die ganze Woche „da“, indem ich von ihm erzählte, wo sie andere Mütter von ihren noch lebenden Kindern erzählen. Das war ein Geschenk für mich und hat mich tief bewegt, immer wieder.

Ja, und das Gehen war genau so wie ich es mir in diesem Fall wirklich erhofft hatte!!! Ich war  seit Jahren nicht mehr so unbeschwert und einfach nur da!! Oft sind mir unserm Gehen die Tränen gekommen, einfach aus Freude und Dankbarkeit, dass ich es erleben darf. 

vo_4Meine Beziehung zu Gott hatte durch den Tod von Hansi sehr gelitten. Ich war zutiefst verletzt. Beim Gehen sind mit die Glaubenslieder eingefallen. Ein Stück weit hatte ich das Gefühl, Gott ist mir bei diesem Wandern entgegengekommen, um sich mit mir zu versöhnen…..

Am letzten Tag dann im Kloster Volkenroda gab es einen evangelischen Gottesdienst, begleitet von einem Gospelchor, der sehr schön gesungen hat. Ich saß wieder einmal unter Tränen in der Kirche und dachte mir: Die Zeit der Trauer ist vorbei, es beginnt Neues, ich weiß zwar nicht was, ich weiß aber, es kommt etwas. Diese leidvolle Erfahrung war nicht umsonst.

Naja, jetzt bin ich wieder daheim, der erste Tag war wie ein Schock, alles war wieder da, der Schmerz, die Einsamkeit, die Depression. Ja, ich habe mich wieder umgestellt und ich doch trage ich in meinem Herzen diese Erkenntnis oder „Vision“:

„Es wird Neues beginnen….“

vo_8vo_8In Volkenroda steht eine 1000-jährige Eiche, der bei einem Sturm ein großer Ast abgebrochen ist. An dieser Stelle hat sie neu ausgetrieben, sodass die Krone neu gebildet wurde – ein Sinnbild für unseren Schmerz. Auch uns ist ein großer Teil unseres Herzens herausgerissen worden. Darf so etwas Neues wachsen, was so gar nicht gewachsen wäre??? Uli“

Menschen gehen nicht hinauf zu den Palästen, sondern hinaus in den Stall. In der Krippe wächst uns von Gott her Neues entgegen, in Jesus. Pilgern wir gemeinsam dorthin, mit unserem Leben, den Rucksäcken und Luftballonen. Gesegnete Weihnachten 2013 allen!