Positionen, Brücken und Agapen am Weg zum Frieden

Das goldene Licht des Himmels in die dunkelsten Stunden

Der 1. Jänner ist landläufig der „Weltfriedenstag“. Am Beginn des Jahres wird dem Frieden Platz eingeräumt. Das „Gebet um Frieden“ der Diözese Steiermark geht dieser tiefen Sehnsucht nach. Dabei durfte ich drei Impulse beisteuern. Positionen und das verfestigte Leben, Brücken und das aufbrechende Leben, Agapen und das gemeinsame Leben waren meine Headlines für meine Erzählungen Richtung Frieden.

Positionen

2014 bin ich mit meiner Frau den Coast_Path in Cornwall in England gegangen. Eine unglaublich schöne Erfahrung. Am Saum des Festlandes tagelang dahingehen und dabei das Meer und das Festland betrachten. Hier treffen „kristallin und fluid“ zusammen. Das eine Element gibt Festigkeit und das andere Element bedeutet Weite. Kirchliches Leben sehe ich heute in Gebäuden, in Symbolen und Ritualen, in ihrer Sprache oft einseitig im kristallinen Element verfestigt. Das sichere Leben liegt uns näher als das Hinauszufahren am wankenden Wasser, um zu neuen Ufern zu gelangen.
Bei den Benediktiner:innen heißt es: Ora et labora et lege. Also: Bete, arbeite und lese. Natürlich drängt sich da immer wieder die Frage in den Raum, was das Wichtigste dabei ist. Fast hitzig können diese Diskussionen werden. Am Ende ist das Wichtigste das „et“, das „und“, die Balance. Nicht verfestigt, sondern fluide im guten Rhythmus.
„Der Standpunkt bestimmt die Perspektive, die Sichtweise“, heißt ein Grundsatz der Kommunikation. Gerade da hat sich viel verfestigt. Heute hat sich in unseren Breiten der Standpunkt der Reichen, der Erfolgreichen, der Leistungsträger, der Komfortzonenbewohner:innen massiv durchgesetzt. Ihre Erzählungen deuten das Leben. Allüberall. Manchmal, wenn ich am Hauptbahnhof in Linz auf den Bus warte, gehe ich zu den Obdachlosen hinüber, die sich dort in den Wartekoijen eingenistet haben, und rede mit ihnen. Sie erzählen mir von einer ganz anderen Welt, eben von ihrem Standpunkt aus gesehen. Es ist mir ein Bedürfnis, mich selber hier fluide zu halten, meine Positionen und Standpunkte hinterfragen zu lassen. Mein Zivildienst bei den Obdachlosen war da eine wirkliche Lebensschule. Eine einmal eingenommene Position hat immer irgendwie die Tendenz, zu einem verfestigten Standpunkt zu werden, der sich in seiner kristallinen Art immer verteidigen will, sogar die Tendenz entwickelt, Gewalt zur Verteidigung einzusetzen. Damit wird Friede unmöglich gemacht.
Angela Merkel hat zum Abschied einen Satz gesagt, der genau hierher gehört: „Verlernen wir nicht, die Welt immer auch aus den Augen des Anderen zu sehen, zu betrachten.“ Das öffnet den Weg für Frieden, Versöhnung und Ausgleich. Perspektivenwechsel, echt und ehrlich, wie es beispielsweise gerade Heinz Mittermayer von der KAB OÖ in einem der Flüchtlingslager in Griechenland tut.
Dabei hat Gott noch ein Schäuferl dazugelegt: Betrachtet die Welt auch mit den Augen der Fremden, ja der Feinde. Da erstarren die meisten. Es ist sehr schwer, sich gerade in diese Richtung „fluid“ zu halten. Wir als Christ:innen haben da ein besonderes Geschenk bekommen, um genau das nicht aus den Augen zu verlieren. Wir kennen, schätzen und lieben diesen Wegbegleiter Jesus, Freund und Mitgeher, diesen Stein, den die kristallinen Bauleute verworfen haben. Er hat wie viele Prophet:innen vor ihm und Heilige nach ihm das Tor zum Frieden geöffnet und will es durch uns offen halten.
Meine Einladung: Halten wir unsere Positionen fluide, bringen wir sie immer wieder in Beziehung.

Brücken

Hier geht es um das aufbrechende Leben. In einer Gedankenübung gehe ich in unserer Pfarrkirche im Bergdorf durch den Spalt, in dem in den dunkelsten Stunden des Lebens das goldene Licht des Himmels fällt (siehe Bild). Der sakrale Raum der Kirche und der profane Raum des Pfarrzentrums berühren einander im etwa einen Meter breiten Gebäudespalt, durch den das Licht des Himmels hinunter fällt in den Aufbahrungsraum der Verstorbenen. An einer großen Glasplatte ist die Emmausgeschichte zu lesen. Wir haben sie uns als Leitgeschichte für die Pfarre auserkoren. Die zwei Frustrierten, Enttäuschten und Suchenden am Weg heimwärts, offen für den Fremdling, der sich dazugesellt und ihnen das Leben neu erklärt beim Brotbrechen. Die Augen gehen ihnen auf und sie sehen den, den sie liebten, auf den sie ihre Hoffnung, ihr Leben gesetzt haben. Das auferstandene Leben macht ihnen die Brücke auf zum neuen Leben, das sie erst jetzt verstehen.
In diesen Spalt hinein „krackt“ wie eine Beule der Ort der Versöhnung, der Beichtstuhl. Nebeneinander sitzen, einander zuhören und einander in die Spur des versöhnten Lebens helfen, ist die Grundintention des Holzkastens. Die Beichte ist zwar in der alten Form gestorben, aber die Sehnsucht nach versöhntem Leben ist größer den je. Daran will uns die in den goldenen Spalt heinkrackende Beule erinnern, eine Brücke bauen.
Wer die Todesrealität des Lebens denkt, bedenkt, begibt sich in das über Brücken aufbrechende Leben. Der Spalt in unserer St. Anna Kirche hilft uns, über Brücken zu gehen, dem aufbrechenden Leben zu trauen. Es ist nicht immer leicht zu verstehen, aber Loslassen befreit, Gespräche verbünden und Versöhnung geht.
Meine Einladung: Nutzen wir die Brücken im Spalt zwischen Himmel und Erde, gleichsam am alltäglichen und gemeinsamen Weg nach Emmaus.

Agapen

Mit einer Weltanschauen-Gruppe war ich am Marienweg in Rumänien unterwegs. Nach einem langen Tag kamen wir abends müde in unsere Unterkunft an. Das Essen war noch nicht ganz fertig, die Kartoffel noch nicht geschält. Es waren drei Steirer:innen, die einen Stuhl nahmen, nach Messern Ausschau hielten und das „Kartoffelhäfn“ in die Mitte stellten. Los ging es und die Kartoffel waren im Nu geschält. Viele Hände schnelles Ende, eine vielgesagt Weisheit.
Die Natur bringt alles hervor, sie sorgt für uns, ist unsere Lebensbasis und unser Lebensraum. Die Natur wirkt gemeinsam, bringt Vielfalt hervor. Die Natur ist nicht nur unsere Lebensspenderin, sondern genauso unsere Lebensmeisterin.
Die Kirche hat sich – von Papst Fraziskus angestoßen – auf den synodalen Weg gemacht. Gemeinsam, kooperativ und partizipativ soll dieser Weg begangen werden. Dabei verlassen wir das hierarchische Denken und Entscheiden, das sich gerade auch im Status, im Komfort und durch Dienstleistungsmentalität zeigt, oben und unten genau zuordnet. Nein, das ist nicht die Sache Jesu und der Menschen, die sich in der Jesusbewegung daheim fühlen.
Da ist das Netzdenken daheim, auf Augenhöhe und barrierefrei, in gemeinsamer Sorge, in Liebe und Kompassion, in Vielfalt aufbauend. Unterdrückung und Gewalt sind ausgewandert, der Mensch darf und soll aufrecht, aufgerichtet gehen. Dort, wo Konflikt ist, wird dem Schwächeren beigestanden, weil klar wurde, dass Passivität immer dem Stärkeren, dem Unterdrücker hilft.
Das Gehen lehrte mich im Laufe der Zeit immer intensiver diese Einsicht: Das Leben kommt dir entgegen. Und Jesus ist viel gegangen, alleine und gemeinsam. Entwickelt haben sich aus diesen „Gehmeinschaften“ Agapen wie rund um die fünf Brote und zwei Fische, um Brot und Wein. Richtige Liebesmähler wurden gefeiert, weil Gott im gemeinsamen Leben erfahrbar wurde und wird, dort daheim ist.
Deshalb auch hier meine Einladung: Wehren wir uns gegen die Verstopfungen, lösen wir die Knoten, bauen wir keine künstlichen Barrieren auf, geben wir den Egoismen keinen Platz. Mauern können abgebaut und übersprungen werden, wenn wir hierarchische Denkmuster und Gewohnheiten hinter uns lassen. Das Gehen bringt gemeinsames Leben, friedvolles und versöhnendes Leben hervor. Ich könnte stundenlang erzählen.
Am Ende unseres tagelangen Gehens am Barbaraweg in der Slowakei wollten wir in der Kirche von Banska Bystrica in der Kirche unseren Abschluß machen. Der Pfarrer hat uns das nicht erlaubt. So sind wir enttäuscht hinter die Kirche gegangen, haben dort unseren Dank, unser Gebet und unser Singen zusammengetragen. Dann gehen wir wieder vor die Kirche, kommen in eine Hochzeitsgesellschaft. Die Brautleute sehen uns mit den Rucksäcken, kommen auf uns zu, bieten uns Schnaps an, laden uns zu ihrer Agape vor der Kirche ein. Wir nehmen die Einladung an, singen für sie unsere Lieder und sind wieder ganz versöhnt. Wir haben Kirche vor der Kirche erlebt, Gott außerhalb der Kirchenmauern gesehen und gespürt. Wir ahnen, dass Gott eine unglaubliche Freude am gemeinsamen und geteilten Leben hat. Drinnen wie draußen.

Pace e bene – für 2022!