Rückzug aus der Zukunft oder Aufbruch dorthin

Blog_3Der Saal in St. Klara in Vöcklabruck ist dicht gefüllt. Annähernd 100 Höhere Oberinnen der Frauenorden in Österreich haben sich zu ihrer Jahrestagung 2014 versammelt. Ich darf als „Mitbruder“ diese 2 1/2 Tage dabei sein. Ich spüre Wohlwollen und großes Vertrauen. Innerlich kommt große Dankbarkeit auf, dass ich miterleben darf, wie Gemeinschaften ihren Weg im Heute suchen, gestalten, anpassen und sich querlegen wollen zum Mainstream der Gesellschaft. Die Gesprächsbasis erlebe ich als offen, engagiert, hinhörend und empathisch. Ich weiß ja nicht, welche Bilder in den Köpfen der meisten Menschen auftauchen, wenn sie „Schwestern“ oder „Ordensfrauen“ hören. Ich sehe: Es ist ein ganz offenes Wort, auf Augenhöhe miteinander, es wird gesungen, gelacht und es tritt Stille ein. Ein tiefes verbindendes spirituelles Band sehe ich immer wieder vor meinem Auge. Ich weiß und spüre es: ich bin privilegiert, dass ich da sein darf.

Altersgemäß leben in Gemeinschaft

Blog_1Ich erinnere mich an einen Benediktiner, der gemeint hat, dass der Vergleich mit „Früher“ nicht zielführend ist. Diese vergleichende Schauen zieht hinunter, weil wir zu wenig weit zurückschauen. Es gab einen „Peak“ an Ordenseintritten in den 50er und 60er Jahren und dem „trauern“ wir nach. Außerdem: Wann wird es wieder so, wie es nie war. Die Folge sind auch heute viele ältere Ordensfrauen und -männer in den Gemeinschaften. Wie in der Gesellschaft allgemein spielt das Alter eine dominierende Rolle. Hier spüre ich, dass diese alten Mitschwestern nicht abgeschoben werden sollen und doch eine Balance gefunden werden muss zusammen mit den wenigen Jungen. Die Jungen sind wenige und deshalb in der Minderheit. Wie in der Gesellschaft allgemein. Ich erinnere mich als Nikolaus an eine Familie, wo ein Kind und 11 Erwachsene im Raum waren. Ich wollte als Nikolaus dem Kind beistehen, damit es nicht von den „erwachsenen Erwartungen und Projektionen“ erdrückt wird. Hier stellt man sich der Herausforderung. Altersgemäß leben und in Gemeinschaft bleiben. Freiräume für die Jungen schaffen. Individualität positiv sehen und Beziehungen und Lebensumfeld der Jungen nicht einfach abschneiden. Die Offenheit und Bereitschaft für Neues ist da, spürbar.

Ein Zukunftsbild prägt das konkrete Heute

Blog_2Sr. Ruth Pucher hat auf wunderbare Weise die heutigen Jungen charakterisiert. Fünf Novizinnen, Postulantinnen, Kandidatinnen hat sich lebensgroß an die Wand gemalt. Ihre Lebenssichten und Wünsche hat sie anschaulich dargestellt. Aus meiner Sicht und Erfahrung: wirklich treffend und lebendig. Bei den allermeisten ist eine große Neugierde geweckt worden und spürbar. Ja, wir wollen uns diesen heutigen Jungen stellen, Räume aufmachen, wo sie Platz zur Entfaltung finden. Ich selber denke oft an meine „Zukunftsarbeit“ und die drei Arten, wie wir in die Zukunft kommen. 1. Linear von der Vergangenheit durch das Jetzt ohne Veränderung in die Zukunft. Durchhalten. 2. Das Jetzt analysieren im Blick aus der Vergangenheit und „optimiert“ ohne große Veränderungen in die Zukunft gehen. Angepasst durchhalten.  3. Ein Zukunftsbild entwickeln und von dort her für das Jetzt  Blog_4und Heute die Handlungsanleitungen entwickeln. Neu aufbrechen. Es war mir ein Anliegen, diesen Gedanken von der Zukunft und dem Zukunftsbild einzubringen. Aus den Rückmeldungen spüre ich, dass das die tiefe Sehnsucht vieler hier ist. Kein Rückzug aus der Zukunft, sondern der Aufbruch dorthin. Irgendwie denke ich mir heute Abend, „wo überall der Opernball läuft“, ob es sonst irgendwo in unserer Gesellschaft so viel Freiraum gibt als in den Ordensgemeinschaften, „das Eigene“ als Berufung zu leben und das in einer Community, gemeinschaftlich, sozusagen als Co-Housing-Projekt, mit spiritueller Verankerung. Ich spüre es in der kleinen Zehe, dass es Gemeinschaften gibt, die sich die Freiheit nehmen und geben und sagen: Kommt und lebt einen neuen Prototypen von Ordensleben, von der Zukunft her im Heute. Irgendwie denke ich mir, dass alle Ordensgründerinnen und Ordensgründer genauso „gedacht und gehandelt haben“, in ihrer Zeit. Sie haben zB Häuser gesehen, wo gebildet, gepflegt, gebetet, gehört, „gesundet“, geheilt wird.
Auch wenn es „da draußen“ niemand glaubt, aber „da drinnen“ ist Raum dafür.