Schiefe Ebene nach Wien

Zug und Wasser nach Wien

Zug und Wasser nach Wien

Die OÖN haben heute eine Studie in die Hände der Geschäftsführer des Instituts Wirtschaftsstandort Oberösterreich gelegt, um auf die Kraft und Dynamik des „k. u. k. Faktischen“ aufmerksam zu machen. Gerald Mandlbauer hat in seinem Kommentar gemeint: „Es würde heißen, dass alles Leben auf einer schiefen Ebene nach Wien zieht.“ Aus meiner Sicht ist das aber nicht nur in der Wirtschaft, in der Verwaltung, sondern auch in den Medien so.

Die regionale Autonomie

Seit nunmehr fast drei Jahren „schöpfe ich in Wien“, wie es dieser Tage ein Arbeiter in Erzählung seiner Tätigkeit gemeint hat. Wien war mir vorher „suspekt“ aus oberösterreichischer Sicht. Zu oft habe ich erlebt, wie „Wien“ sich im kirchlichen Kontext eingemischt hat oder wollte. Es gibt auch in der Kirche den Hang nach Wien, obwohl jeder Bischof seine Diözese eigenständig leitet und die Bischofskonferenz ein zahnloses Gremium ist. Dort wird beraten, aber nicht entschieden. Das tut jeder Bischof in und hoffentlich mit seiner Diözese. Könnte, wenn er wollte. Die Vielfalt der regionalen Wege wird und wurde von Wien aus argwöhnisch beäugt. Siehe Linzer Weg. Gerade die Bischofsernennungen werden vom Kardinal in Wien so gesteuert, dass nur ja kein neues „diözesanes Eigenleben“ aufkommt.

Wir haben keine anderen Medien

In den Medien ist es nicht anders. Ich habe mit einem österreichischen Präsidenten einer vielfältigen Organisation die „Zentralisierung nach Wien und die Wien-Zentralisierung der Berichterstattung“ in den Medien besprochen. Warum kommen fast nur Wiener Themen und Wiener Leute in den Österreich weiten Medien vor? Er darauf: „Wir haben in Wien keine anderen Medien als die Österreich weiten“. Alles klar. Da beißt sich die Wien-Zentriertheit in den eigenen Schwanz. Auch die Medienelite sitzt in Wien und dort sind Salzburger Nachrichten, die Tiroler Tageszeitung, die Kleine Zeitung, die OÖN oder die Vorarlberger Nachrichten „Blätter vom Rand, der Provinz“. Durch ihre „inhaltliche Vernetzung“ in den letzten Jahren bekommt die Peripherie etwas mehr „Kraft“. So findet sich der Artikel heute auch in der TT. Aber: Muss die Ebene schief bleiben? Richtung Wien?

Neu denken und Social Media handeln

Denkraum Rand © Werner Pfeffer

Denkraum Rand © Werner Pfeffer

Nein. Das ist meine Überzeugung. Wien wird noch größer. An der „umfassenden Zentralisierung aller gesellschaftlichen Felder“ arbeiten schier alle Kräfte, weltweit. „Je größer, desto toller“ ist die Devise. Dabei wächst im Untergrund, an den Rändern die Einsicht: „Je vielfältiger und vernetzter umso zukunftsträchtiger“. Das wird Handlungs-Denke. Ich genieße es immer mit meinem Freund Werner Pfeffer in den „Denkraum Rand“ einzutauchen. Ich habe die Aussagen des Papstes  schon mehrmals angeführt: „Geht an die Ränder.“ Dort, wo Rand ist, ist Kreativität, ist Lebenskraft, kaum eine Spur von Bequemlichkeit, von Abgehobenheit, da ist Augenhöhe und viel Hausverstand, Lebenserfahrung. Das täte vielen Verwaltungseinrichtungen und den dort Handelnden gut, in der Peripherie zu sein. Der Blick auf Wien würde anders ausschauen. Die Perspektive vom Zentrum ins Zentrum macht blind, selbstgenügsam, überheblich. Fremdheit würde einziehen und neue Blickwinkel würden sich den BeamtInnen in der Peripherie auftun. Über vernetztes Denken, über Social Media ist heute jede Verbindung und Verbundenheit möglich. Ich frage mich oft selber: Warum zieht die Finanzmarktaufsicht nicht einfach ins Waldviertel? Dort werden ohne sündhaft teure Studien schon die richtigen Fragen gestellt, die es dann zu beantworten gilt. Oder warum siedelt sich die EZB nicht in Griechenland an? Dort sehen sie die direkten Auswirkungen ihrer Politik. Oder warum zieht die AMA nicht ins obere Mühlviertel zu den Bauern? Da würden die Verantwortlichen sehen, dass die Bauern weniger Kontrollore sondern Helfer brauchen. So hoffe ich, dass Orden und Kirchen in der Peripherie bleiben und die Zeichen der Zeit vom Rand her deuten können. Alles Leben ist nicht in Wien. Auch wenn die Züge dorthin immer voller werden – und ich einstweilen dabei bin.