Vernetzt. Zu viel vernetzt?

Seit Jahren gilt es, sich mit den richtigen Personen auf der richtigen Ebene zu vernetzen. „Netzwerken“ steht dann in der Programmabfolge, wo man früher vielleicht an Begegnungen gedacht hat, an Gespräche und Gedankenaustausch, Spass hatte und herzhaft gelacht wurde. Heute darf es kein Meeting geben, dem nicht ein Zweck zugrunde liegt, zumindest das „Netzwerken“ selber.

Die richtige Tür aufmachen

„Du musst die richtigen Leute kennen und bei der richtigen Tür hineingehen“, hat schon mein Vater als Bürgermeister mit 23-jähriger Erfahrung in den 70er und 80er Jahren gewusst.  Damals gab es keine Netzwerk-Zwischenstufen der Lobbyisten. Da ging noch alles  von Angesicht zu Angesicht der Verantwortlichen, mit einem Handschlag fixiert und ohne einen Berg an Bürokratie ging man ans Werk, hat die Straße weitergebaut um 3 km, den Kanal in die nächste Ortschaft verlegt, die Schule erweitert, den Kindergarten neu errichtet, usw. Da war eine direkte Beziehung mit dem nötigen Handlungsspielraum zwischen den jeweiligen Entscheidungsträgern.

Ehrlichkeit ist nie sinnlos

Heute sind die Entscheidungen in die dauernd fließenden Netzwerkverbindungen abgetaucht. Das macht es für ehrlich engagierte Menschen auch so schwer, den Punkt oder Knoten zu erwischen, um eine Entscheidung herbeizuführen. Hinter den öffentlich sichtbaren Entscheidungsträgern breitet sich ein dichtes Netz an Einflussnahmen aus. Da kann es sein, dass ganz wesentliche Netzknoten nicht das Wohl der Menschen, das Gemeinwohl im Sinne haben, sondern ihren eigenen Nutzen und Vorteil. Wenn dann solche „Politiker“ entlarvt werden, ist ein ganzes Netzwerk mitgefangen, entlarvt und die Menschen sind ent-täuscht. Der italienische Schriftsteller und Journalist Corrado Alvaro hat sehr treffend aus seiner Zeit in unsere Netzwerkzeit gesagt: „Das Schlimmste, was einer Gesellschaft passieren kann, ist zu denken, dass Ehrlichkeit sinnlos ist.“ Er ist 1956 verstorben und man könnte meinen, er spricht über die heutigen Stimmungen.
Meine Überzeugung: Ehrlichkeit ist nie sinnlos, auch wenn sie nicht immer von Vorteil ist.