Menschen isolieren sich im stillen Teich

Dieser Tage ist mir in einem Email diese Weisheit des indischen Philosophen, Theosophen und spirituellen Lehrer Jiddu Krishnamurti (1895-1986)  „zugefallen“. Nach dem Lesen musste ich an „Alles Windhauch“ aus Kohelet denken und schließlich geht  das Wort Jesu „Was sorgt ihr euch: Seht die Vögel des Himmels und die Lilien des Feldes“ in diesselbe Richtung. Im Endeffekt schildert dieser Text den Unwillen des Menschen, „mit Suprise Factors in seinem Leben zu rechnen, diese konsequent auszuklammern.“ Meine Sicht und Erfahrung: Geht nicht!

Menschen vergraben sich 

„Menschen graben sich ihren kleinen Teich, abseits vom raschen Strom des Lebens. Denn wir alle wollen stabile Verhältnisse. Wir graben ein kleines Loch und verbarrikadieren uns darin mit unseren Familien, mit unserem Ehrgeiz, unserer Kultiviertheit, unseren Ängsten, unseren Göttern, unseren unterschiedlichen Gebetsritualen; und dort lassen wir das Leben vorüberziehen und sterben – jenes Leben, das nicht von Dauer ist, sich ständig wandelt, so rasch ist, solche enormen Tiefen, solche außergewöhnliche Vitalität und Schönheit hat. Wir sagen, dass unsere Teich-Existenz richtig ist, und wir haben eine Philosophie erfunden, um sie zu rechtfertigen. Wir haben soziale, politische, ökonomische und religiöse Theorien entwickelt, die sie stützen, und wir wollen nicht gestört werden, denn wir suchen das Gefühl von Dauer.

Besitz, Name und Ruhm?

Wir wollen, dass der Name, den wir tragen, bekannt und durch die Familie, durch den Besitz weitergeführt wird. Wir wünschen uns ein Gefühl von Dauer in unseren Beziehungen, in unserer Tätigkeit, und das bedeutet, wir suchen ein bleibendes, stetiges Leben im stagnierenden Teich. Wir wollen dort keinerlei wirkliche Veränderungen, also haben wir eine Gesellschaft aufgebaut, die uns die Dauer des Besitzes, des Namens, des Ruhms garantiert.

Loslassen können

Aber sehen Sie, das Leben ist nicht so, Leben ist nichts Bleibendes. Wie die Blätter, die vom Baum fallen, sind alle Dinge vorübergehend, nichts überdauert, immer gibt es Wandel und Tod. Haben Sie je beachtet, wie sich ein kahler Baum gegen den Himmel abhebt, wie schön er ist? Jeder einzelne Zweig zeichnet sich ab, und seine Kahlheit formt sich zum Lied oder zum Gedicht. Jedes Blatt hat er verloren, und nun erwartet er den Frühling. Wenn der Frühling kommt, erfüllt er den Baum erneut mit der Musik seiner vielen Blätter, welche zu ihrer Zeit wieder fallen werden und verwehen – das ist der Lauf des Lebens.“

Hans Rauscher titelt heute im Standard auf Seite 39 unter dem Titel: „Die Politik bietet kein Signal, wohin es gehen soll.“ In jedem Fall hat nach meiner Wahrnehmung obige Weisheit in der Realpolitik derzeit (noch) keinen Platz.