Was das Ohr am Advent-Handy hört

adventhandy„Die neue Präsidentschaft und das Präsidium ermutigt, im weiten Netz der #kaoe offene Gespräche zu führen entlang von drei Fragen: Was bewegt dich? Wo siehst du die Zukunft (der Kirche)? Wer ist Kirche heute?“ Seit Beginnn der Adventzeit bin ich am Advent-Handy (0660 7897 476) von Dienstag bis Samstag jeweils von 19 bis 21 Uhr telefonisch für jede und jeden erreichbar. Hier ein Versuch, euch Leser:innen ein paar gehörte Fragmente  zu erzählen.

„Traurig macht mich, dass die Amtskirche die Menschen zur Umkehr aufruft, aber selber nicht umkehrt und darin vorangeht“, sagt eine Frau G., die vor kurzem in Pension gegangen ist und zeitlebens in der Kirche tätig war: „Es geht nicht um das Zölibat, sondern um die Glaubwürdigkeit.“ Unbarmherzigkeit sieht sie in vielen Dingen, Inkonsequenz und Überheblichkeit der Oberen. „Kirche muss Ermöglicherin sein und endlich den Menschen nicht von oben herab, sondern auf Augenhöhe begegnen.“ G. recht klar: „Die Weltsynode 2023 muss sich aus 3/4 Frauen und Männer – davon mindestens die Hälfte Frauen – und 1/4 Bischöfe zusammensetzen. Sonst wird das wieder nichts.“ Die bisher Engagierte sieht keinen Grund, die Pastoralassistentinnen („Die machen doch so wunderbare Wortgottesfeiern“) und Pastoralassistenten „zum Dienst am Altar zu weihen, wenn sie sich dazu berufen fühlen“.  Sie spricht an, dass wir beide etwas gemeinsam haben, das Gehen: „Das Gehen in Stille, ein paar Tage alleine im Schweigen, ist eine ganz wunderbare Quelle des Lebens.“ Und ich stimme ihr zu.

Aus Eferding ruft ein Herr R. an und hält gleich zu Beginn fest, dass es in der Weltkirche Unterschiedlichkeiten geben wird und muss. Afrika ist anders als Südamerika und Europa anders als Asien. R. meint aber, dass es schon jahrzehntelang Forderungen gibt, die zwar immer wieder diskutiert werden, aber „nix“ geschieht: „Hoffentlich passiert da etwas. Die Forderungen von beispielsweise „Wir sind Kirche“ liegen schon zu lange unbearbeitet. Ich habe das Gefühl, die Kirchenleitung ist nicht fähig, das umzusetzen, weil sie alle irgendwie in Angst leben. Aber wovor haben sie Angst?“ Helft bitte mit, dass da sehr bald etwas passiert, „am besten vorgestern“.

Über 50 Jahre ist Herr F. freiwillig in seiner Pfarre tätig. Männerbewegung, Bildungswerk, Pfarrausflüge organisieren, Gottesdienste vorbereiten: „Irgendwie alles irgendwann einmal. Es tut aber so weh, dass reformmäßig überhaupt nichts weitergeht. Ich wäre aus der KMB ausgetreten, wären sie nicht als Präsident gekommen. Früher haben wir diskutiert in der Pfarre. Heute wird alles totgeschwiegen und wenn du etwas sagst, schauen sie dich schief an und du bist gleich ein Außenseiter. Streif lieber nicht an. Bring keine Unruhe rein. Das ist die Devise.“ Ich sage zu ihm, dass Papst Franziskus doch gemeint hat: „Macht krach!“ „Ja, das braucht es, in den Medien und gegenüber den Obrigkeiten, denen wir leider immer alles zu brav erfüllt haben.“ F. hält fest, „dass die Kirche kein brennendes Thema mehr ist“.  Er weiß, dass die Ehrenamtlichen kontrolliert werden. Da wird auch herausgestrichen, Texte und Sichtweisen einfach eliminiert. So wird man zum Dummen gemacht. Die Ehrenamtlichen tragen unglauchlich viel und lassen sich leider zu viel gefallen. F. sieht auch, dass Mitgliedsbeitrag einsammeln zu wenig ist. „Wir brauchen Bewegung, vor allem in der Pfarre. Neue Gesichter und neue Ideen. Wir brauchen keinen Pfarrer, der eh nie da ist und für niemanden erreichbar. Nur zum Hokuspokus kommen ist zu wenig.“ F. schildert auch, wie die jahrelange Mitarbeit im Grunde keine wirkliche Wertschätzung erfährt: „Der Pfarrer gondelt lieber mit den Nichtkirchlichen herum und kümmert sich nicht um seine Stützen, die die alltägliche Pfarrarbeit tragen.“ F. bedankt sich sehr, dass ich ihm mehr als eine halbe Stunde zugehört habe. Sein Abschiedswunsch: „Bitte, macht Druck.“

Aus Graz erreicht eine junge Stimme mein Ohr. Jobmäßig bei der IT, dann und wann einmal in einer Kirche beim Gottesdienst: „Die Sprache, die gesamte Liturgie, das Getue wirkt auf mich skuril. Es ist weltfremd und holt die Menschen wie mich in keinster Weise ab.“ Die junge Stimme schildert dann noch, dass er vormittags ein Email an eine höhen Würdenträger („Bischofsvikar oder so“) geschrieben hat. Warum? „Er ist in einem Kirchezeitungsartikel über das Pilgern hergezogen, hat es direkt lächerlich gemacht. Das Wallfahrten zu einer Kirche ist das einzig wahre Pilgern. Alles andere ist individuelles Getue.“ Wir haben dann noch lange über meine Erfahrungen beim Pilgern über Wochen und auch meine Spiriwalks gesprochen. „Ja, davon habe ich schon gelesen. Diesen Zugang finde ich zum Beispiel spannend.“ Wir beide bleiben dabei, dass Gehen und Pilgern wunderbare Dinge sind, um sich selbst und vielleicht sogar Gott zu entdecken.

Ein Herr F. ruft aus Wien an. Wir sind einander schon in meinen Wiener Ordenszeiten begegnet. Gesicht habe ich keines. Es war bei einem Pilgervortrag von mir. Klar, er sieht mich und ich sehe viele Gesichter. Er findet ganz wichtig, „dass ihr #LaudatoSi in den Mittelpunkt rückt und ebenso die Soziallehre“. Er erzählt von der Katechese des guten Hirten und möchte mit mir in Verbindung bleiben. Ich notiere die Wiener Telefonnummer und werde ihn im neuen Jahr anrufen. Wir haben vereinbart, dass wir auf einen Kaffee gehen.

Beispiele, die an mein Ohr gedrungen sind. In den Zwischentönen der Telefonate ist Wehmut spürbar, dass Kirche so mutlos und fad geworden ist, „auch so konservativ“. Direkt angeprochen werden Probleme mit dem Klerus, der alt geworden, der deutschen Sprache oft nicht mächtig und oftmals selbstbezogen, abgeschieden ist. „Sie picken sich oft nur die schönen Seiten heraus und lassen die Laien die Drecksarbeit machen“, eine etwas 50-jährige Frau. Bedauert wird auch, dass die Bischöfe selber zu wenig Mut haben, „das ihnen nach dem Kirchenrecht Mögliche zu tun, Frauen und Männer direkt für liturgische Dienste wie Taufen, Begräbnisse oder Verheiraten zu beauftragen und dann voll und ganz dazu stehen, nicht als Notlösung getarnt“. Einzelne weisen darauf hin, dass „ehrenamtlich“ für viele finanziell gar nicht möglich ist. Wieder andere sehen, dass die KA auf Österreichebene sehr müde geworden ist in den letzten Jahren, gepaart mit der Frage, wie es dazu kam.

Es waren am Tag im Schnitt etwa 2-4 Gespräche, immer über eine Viertelstunde. Angenehm zum Zuhören. Alle Gespräche habe ich ausnahmslos als „ehrliche Sorge“ wahrgenommen. Das Gehörte nehme ich mit in mein Engagement bei der KAÖ als Ermutigung. Und immer wieder, bei jeder sich bietenden Gelegenheit, möchte ich diese Fragen einstreuen, damit der „synodale Weg“ vermehrt gemeinsam beschritten wird.

Was bewegt dich?
Wo siehst du die Zukunft (der Kirche)?
Wer ist Kirche heute?